Die Fachschaft Politik hat in Kooperation mit anderen Studierenden einen Wahl-O-Mat für die Tübinger Kommunalwahlen am 26. Mai erstellt, den sogenannten Tüb-O-Mat. Im Interview mit der Kupferblau berichtet Jacob Bühler, Mitglied der Fachschaft Politik und der Initiative „Tüb-O-Mat“, wie man so ein „Wahlpositionsvergleichswerkzeug“ eigentlich entwickelt. Es geht um den studentischen Blick auf Kommunalwahlen, Kritik am Tüb-O-Mat, und darum, dass der Gemeinderat leider nicht über den Bota entscheiden kann.
Kupferblau: Seit Dienstag letzte Woche ist der Tüb-O-Mat nun online. Wieso habt ihr euch überhaupt so viel Arbeit gemacht und extra einen Wahl-O-Mat für Tübingen entwickelt? Sind doch eh nur Kommunalwahlen, oder?
Jacob (lacht): Das denken viele, dass es „nur“ Kommunalwahlen sind. Aber diese sind ja nichtsdestotrotz wichtig, insbesondere weil die Wahlbeteiligung oft sehr niedrig ist und eher ältere Menschen den Gemeinderat wählen. Andersherum werden auch sehr viele ältere Menschen in den Gemeinderat gewählt. Daran wollten wir etwas ändern, in dem wir einen Tüb-O-Mat für Studierende machen.
Gibt es bei jungen Leuten eine Art Informationslücke, die ihr füllen wolltet?
Bestimmt auch eine Lücke, aber vor allem stellt sich vielen die Frage: „Warum soll ich überhaupt wählen gehen?“ Als Studi bin ich hier vielleicht drei, vier Jahre. Muss ich da überhaupt für die Stadt was wählen oder sollte ich nicht den Leuten, die schon länger hier wohnen, die Verantwortung überlassen? Aber das wäre eine falsche Entscheidung, glaube ich, denn nach mir kommen ja auch wieder ganz viele Studis, deren Interessen sich von denen Alteingesessener vielleicht unterscheiden.
Aber ähnliche Interessen haben wie du?
Vielleicht. Gleichzeitig ist der Tüb-O-Mat natürlich auch für alle Altersgenerationen gedacht! Wenn man ihn durchgeht, merkt man vermutlich schon, dass Fragen wie „Die Stadt sollte mehr mit der Uni zusammenarbeiten“ eher junge Leute ansprechen. Das Clubhaus hat es sogar in den Tüb-O-Mat geschafft …
… und auch der Bierkeller!
Dagegen sprechen Fragen zu Radwegen oder anderem natürlich alle Altersklassen an – und die Zusammenarbeit von Uni und Stadt ist auch für ältere Menschen wichtig, die extrem vom dort angebotenen Kulturangebot profitieren.
Gab es denn schon einmal einen Tüb-O-Mat in Tübingen oder seid ihr jetzt die erste Generation?
Es gab unseres Wissens mal Pläne zu einem Tüb-O-Mat, auch vom schwäbischen Tagblatt, das wurde aber nicht vollendet.
Wann habt ihr mit der Arbeit angefangen?
Die Idee kam vor vier Monaten auf, danach kam eine ganz lange Phase, in der wir erst einmal nur Fragen gesammelt haben, die Leute an die Kommunalpolitik haben. Ein bis zwei Monate lang haben wir Fragen auf unserer Homepage gesammelt, wir haben Stände gemacht und waren auf der Straße unterwegs. Dann haben wir uns über zwei Wochen lang getroffen und aus den Fragen Thesen erarbeitet, überarbeitet, Leuten zugeschickt und um Feedback gebeten. Danach hatten die Parteien drei Wochen Zeit die Thesen zu beantworten, daraufhin mussten wir diese durchgehen, Rechtschreibfehler korrigieren und online stellen. Die aktive Arbeit betrug circa drei Monate.
Insgesamt habt ihr 150 Thesen auf 36 reduziert. Wie setzt man da die Prioritäten?
Zugegeben, manche Thesen waren ähnlich oder haben sich auch gedoppelt. Zuvor hatten wir uns Überthemen überlegt, die wir auf jeden Fall abdecken wollen. Daraus haben wir uns jeweils zwei bis drei Thesen rausgesucht und diese übernommen. Als Rückmeldung von unseren über dreißig Testpersonen kam zum Beispiel, dass wir am Anfang sehr viele Verneinungen drin hatten.
Gab es schon Kritik am Tüb-O-Mat? Wie haben die Parteien reagiert?
Es gab tatsächlich viel Kritik. Angefangen beim Pretest – da haben wir ja aktiv nach Kritik gefragt. Ich selber habe ja darauf gewartet, dass Dozierende auf uns zukommen und sagen „Was macht ihr da? Das ist ja alles Blödsinn“ – aber das war nicht der Fall.
Die Listen haben uns auch, nach und vor der Veröffentlichung, auf den ein oder anderen Kritikpunkt hingewiesen. Die FDP zum Beispiel hat des Öfteren in ihren Begründungen Kritik an den Thesen selbst geäußert. Dennoch überwiegt das Lob aber größtenteils.
Ein Fehler, der uns unterlaufen ist, war die Frage nach mehr nächtlicher Straßenbeleuchtung. Wir haben als Beispiel den botanischen Garten genannt, dabei hätten wir aus dem hochschulpolitischen Kontext eigentlich wissen sollen, dass für den Bota das Land und nicht die Stadt zuständig ist. Den Gemeinderat dazu zu befragen ist natürlich ein dummer Fehler, aber gleichzeitig kann man bei so einer Frage auch ganz gut Ideologien abfragen. Ein Gemeinderat kann ja auch für mehr Licht im Bota sein, auch wenn er nicht dafür zuständig ist.
Was war die kontroverseste Frage?
Ganz oft haben wir Thesen, bei denen wir eine Sache gegen die andere ausspielen, zum Beispiel, dass Radwege den Autoverkehr nicht einschränken dürfen. Auf solche Frage kann man sehr breit eingehen. Die Listen haben das am Ende ganz gut gemacht.
Besonders schön waren die Antworten zum Bierkeller! Alle Listen außer der AfD haben sich für seinen Verbleib ausgesprochen!
Was sind denn die Grenzen eines Wahl-O-Mats?
Eine Vereinfachung ist ganz klar, dass man seine Antworten auf „ja“ und „nein“ runterbricht, zumindest im ersten Teil. Und es gibt ganz viel im Gemeinderat, oder allgemein in der Politik, was ich als Wähler*in jetzt noch nicht wissen kann. Vielleicht kommen noch irgendwelche neuen Erkenntnisse dazu. Außerdem decken 36 Thesen natürlich niemals alle kommunalpolitischen Themen ab. Wir haben Thesen rausgestrichen, die nur Ältere betreffen, wie zum Beispiel zu Altersheimen.
Aber das Coole an so einem Wahl-O-Mat ist ja nicht, dass du am Ende weißt, wen du wählst, sondern du machst es aus Langeweile und Interesse und nachher kriegst du einen ganzen Haufen an Antworten und kannst dir dann selber dazu eine Meinung bilden.
Wahlprogramme lesen ist dagegen viel trockener …
Der Tüb-O-Mat hilft dir, deine Meinung zu bestimmten Themen mit den Antworten der Listen zu vergleichen. Er soll auf keinen Fall sagen: „Die Partei, die oben ist, sollte man ausschließlich wählen.“ Plus: Es ist eine personalisierte Listenwahl. Das heißt ich wähle nicht einfach nur Parteien, sondern ich wähle Personen auf Listen und kann da noch kumulieren und panaschieren.
Und noch eine Sache: Wir haben die einzelnen Listen angeschrieben, aber wir wissen nicht genau, wie diese die Antworten erarbeitet haben …
Das können also ganz unterschiedliche Prozesse gewesen sein, von Basisdemokratie bis zu einer Person, die alles alleine bearbeitet hat?
Richtig.
Und jetzt noch eine letzte Bitte. Vervollständige den Satz: Ich gehe am 26. Mai wählen, weil …
… ich glaube, dass wir ein paar fähige junge Leute auf den Listen haben und ich wünsche mir, dass sie in den Gemeinderat kommen!
Der Tüb-O-Mat kann hier gespielt, ausgewertet und auch kritisiert werden.
Beitragsbild: FS Politik
Fotos im Text: Clara Thier, Marko Knab