Querfeldein startete vergangenen Montagabend mit frischem Elan und künstlerischer Starbesetzung in das neue Semester. Diesmal durfte es sich der offenherzige Puppenspieler Michael Hatzius auf dem Sofa im Ribi gemütlich machen. Vor einer eher kuschelig kleinen Zuhörerschaft gab der gebürtige Berliner hautnahe Einblicke in die außergewöhnliche Art der Kleinkunst. Zusammen mit Echse & Co. gab der Künstler Geschichten von spontaner Improvisation bis hin zu poetischer Kraft zum Besten.
How to become a Puppenspieler
Wer bisher dachte, Puppenspiel sei banale Improvisationskunst, der wurde an diesem Abend eines Besseren belehrt. Der diplomierte Puppenspieler erlang seine Lizenz zum humoristischen Jonglieren an der Hochschule für Schauspielkunst in Berlin. Hinter der leichtfüßigen Darstellungsform steckt ein langer Weg, der während des Grundlagenstudiums einer Schauspielausbildung gleicht. Gesangs- und Körperstimmtraining bilden unter anderem einen großen Anteil. Praxisnähe wird durch szenische Arbeit geschaffen, wie der Comedian erzählt. Die Abgrenzung zum klassischen Theater findet dadurch statt, dass darstellende Prozesse in andere Formen übertragen werden.
Während seines Studiums machte Hatzius Zeitungspapier lebendig. „Die Zeitung von gestern ist wertlos. Man hat daher keine Skrupel viel auszuprobieren.“ Nach seinem Abschluss entdeckte der 36-Jährige Kabarett als seine Leidenschaft und brachte anlässlich eines Satire-Festivals die Echse auf die Welt, die seit 10 Jahren sein treuer Begleiter ist. An Sprüche von Fans wie „Wo ist denn das Krokodil“ während seiner Saunabesuche hat er sich allerdings immer noch nicht gewöhnt.
In bester tierischer Gesellschaft
Wo Hatzius auf der Bühne steht, ist die sexistische Echse nicht weit. Genervt von Gender Issues spricht die lethargische Echse die Student*innen im Publikum fortan mit Sternchen an. Das mürrische Reptil schwärmt von früheren Zeiten als es im Amphibientheater erotische Märchenstunden gehalten hat, mit pikanten Inszenierungen wie „Die Prinzessin auf der Echse“. Die selbstgefällige Echse nimmt kein Blatt vor den Mund und plädiert zudem auf einen Machtanspruch, da sie von Anfang an auf der Welt war im Gegensatz zu uns neuartigen Menschenwesen. Satte 100 000 Jahre Menschenstudium machen das genüsslich rauchende Tier zu einem unschlagbar authentischen Redner. Zudem ist die Vollblutechse der gefeierte Erfinder der Reptiloiden-Theorie, welche besagt, dass Wesen, die halb Mensch halb Reptil sind, die Schlüsselposition der Menschheit einnehmen.
An den Europawahlen konnte die Echse von Welt leider nicht teilnehmen, da er keine rechte Hand zum Kreuzchen machen hat. Neben der vereinnahmenden Echse bringt der Mann hinter den Puppen auch sprechende Tiere, wie die sechsbeinige zynische Zecke, auf die Bühnen der Republik und schenkt später auch Hühnern das Recht zu sprechen.
Entpuppendes Puppenspiel
Die puppenbasierte Theaterform wird weitläufig als simples kinderorientiertes Schauspiel eingeordnet. Doch das Puppenspiel entpuppt sich im Laufe des Abends als äußerst feinsinniges Schauspiel, das auf verschiedenen Ebenen metaphorisch Emotionen und Konflikte gekonnt in Szene setzt. Die eindrückliche poetische Kraft der skurrilen Figuren beruht auf der verdichteten Darstellung menschlichen (Miss-)Verhaltens. Dadurch werde der theatrale Wert gesteigert im Vergleich zu einem normalen Schauspieler, so Hatzius. „Mit der Echse kann man über alles reden, außerdem ist sie uneitel, da sie nicht erröten kann.“
Der Blick der Echse hat in der Tat eine beeindruckende Eindringlichkeit. Die Echse darf sich ungehalten über Oberbürgermeister sowie über selbstgefällige Zebras auslassen. Sowohl die Aufmerksamkeit als auch die Schuld für politisch inkorrekte Kommentare übernimmt die selbstbewusste Puppe selbst. Selbst der Mann hinter der Puppe kann einiges von seiner eigenen Schöpfung lernen – jedenfalls scheint ihm das seine Therapeutin hinsichtlich Beziehungsfragen ans Herz zu legen.
Alles kann, nichts muss!
Hatzius‘ Philosophie auf der Bühne ist neben festen Charaktereigenschaften seiner Puppen von spontaner Improvisation geprägt. Er gibt mit seinen Fantasiefiguren dem Publikum Denkanstöße und bekommt direkt Resonanz darauf. Auch die Charakterfindung seiner Puppen entsteht meist aus zufälligen Begegnungen und Erlebnissen, die er als Reinkarnation kreativ aufarbeitet. Er sieht seine Puppen als eine Art handwerkliches Instrument, mit dem er seine Geschichten unterhaltsam erzählen kann.
Auf seine Zukunft schaut der Künstler ebenfalls entspannt und ist davon überzeugt, dass die Dinge zu einem kommen, solange man es mit Liebe und Freude angeht. Neben Fernsehauftritten und Bühnenshows könnte er sich auch eine Lehrdozentur an seiner ehemaligen Hochschule gut vorstellen. Aktuell tourt der Preisträger des deutschen Kleinkunstpreises mit seinem Esoterik-basierten Programm „Echsoterik“ durch Deutschland und ist im Herbst auch in Stuttgart zu sehen. Wer zusammen mit der Echse unerforschte Metaebenen erkunden will, sollte sich jetzt schon Karten sichern.
Fotos: Marko Knab.