Tagtäglich kommen wir an Orten vorbei, die nach historischen Persönlichkeiten benannt wurden. Doch wer waren diese Menschen und was leisteten sie, dass Straßen, Plätze und Denkmäler zu ihren Ehren erbaut wurden? Dieses Mal geht es um einen linken Parlamentarier und wortkargen Dichter, dessen Profil man in Tübingen garantiert jeden Tag sieht. Warum und wo erfahrt ihr in Teil 1 unserer neuen wöchentlichen Reihe!
Es gibt wohl viele große Töchter und Söhne der Stadt Tübingen, der Universität, den Kliniken und Instituten sei Dank. Es gibt aber kaum eine Berühmtheit, die so verbunden mit der Stadt und ihren Menschen ist wie Ludwig Uhland. In Tübingen geboren, aufgewachsen, gelehrt, rebelliert und gestorben. Die Tübinger*innen dankten ihm sein Engagement, indem sie die Erinnerung an den schwäbischen Dichter und Abgeordneten hochhalten. Täglich laufen Hunderte die Uhlandstraße entlang, werfen aus dem Bus einen Blick auf das Uhlandbad oder studieren sogar am Ludwig-Uhland-Institut, doch: Wer er war wissen die Wenigsten.
„Wo ich große Wirkung sehe, pflege ich große Ursachen vorauszusetzen, und bei der so sehr verbreiteten Popularität, die Uhland genießt, muss also wohl etwas Vorzügliches an ihm sein.“
Johann Wolfgang von Goethe
Vom Studentendorf nach Stuttgart
Ein eher zurückhaltender, wortkarger, fast schüchterner Mann soll der im Fachwerkhaus Neckarhalde 24 aufgewachsene Uhland gewesen sein. Ganz untypisch eigentlich für einen Dichter und Denker seiner Zeit: Sein Geburtstag, der 26. April 1787, fällt zusammen mit dem allmählichen aufkommen der Romantik, einer Epoche in der das Progressive, Pathetische und Patriotische großgeschrieben wurde. Ludwig Uhland entsprang einer Familie des gelehrten Bürgertums, sowohl Vater als auch Großvater hatten an der Universität gearbeitet. Aus der Schola anatolica, dem heutigen Uhland-Gymnasium, ging er als bester Schüler seines Jahrgangs hervor und widmete sich daraufhin dem Studium der Rechtswissenschaft, wo er später auch promovierte. Trotz des Fleißes, den er aufbrachte, wurde aus Uhland nie ein begnadeter Jurist. Aus den Tagebüchern geht hervor, dass es die Juristerei nie für besonders interessant hielt. Verständlich.
Die Poetik dagegen faszinierte den jungen Tübinger. Zusammen mit seinen Kommilitonen Justinius Kerner (nach dem in Tübingen eine Bushaltestelle benannt ist), Gustav Schwab und Karl Mayer gründete er an der Universität den schwäbischen Dichterkreis. Die Gedichte Uhlands handeln meistens von Erlebtem, so auch sein bekanntes Werk „Die Kapelle“, in dem eine Wanderung zur Wurmlinger Kapelle beschrieben wird.
Nach einer Studienreise nach Paris kam der Dichter das erste Mal mit Politik in Berührung: Ohne Bezahlung arbeitete er beim württembergischen Justizminister und gelangte allmählich in die Kreise des damaligen Landtags, wo er nach kurzer Zeit zum Sprecher erkoren wurde. 1819 erlebte er, wie eine neue Verfassung verabschiedet wurde: Unter dem Einfluss Napoleons war Württemberg zu einem Königreich avanciert und hatte Gebiete hinzugewonnen. Die neue Verfassung räumte den Volksvertretungen mehr Befugnisse ein. Die Menschen träumten von Demokratie und Einheit.
Uhland dagegen träumte erst einmal von Emilie Vischer. Der Dichter heiratete die Tochter eines wohlhabenden Calwer Kaufmanns am 16. Januar 1820 mit der er bis zum Tode zusammenblieb. Ähnlich gewissenhaft und treu soll auch Uhlands Arbeitsmoral gewesen sein. Angeblich fehlte er nur ein einziges Mal bei der Arbeit, selbst am Tag seiner Hochzeit soll er im Stuttgarter Abgeordnetenhaus gewesen sein.
Linker Parlamentarier und wortkarger Dichter
Dabei war Uhland in seiner politischen Karriere nie wirklich erfolgreich. Zwar verehrten ihn die Bürger*innen geradezu, wählten ihn stets mit überwältigenden Mehrheiten in politische Ämter, obwohl der gebürtige Tübinger keine Wahlkämpfe zu führen pflegte. Dennoch führten seine ruhige Art und seine Oppositionsrolle dazu, dass sich die Wirkung des politischen Engagements in Grenzen hielt. Uhland sah sich als Demokrat einer Mehrheit von konservativen, meist adligen Politikern gegenüber, die sich für Aufrüstung und Fürstenherrschaft einsetzten. Er wünschte sich eine stärkere Kontrolle der Regierung, wie es zu der Zeit beispielsweise in Frankreich oder Großbritannien gang und gäbe war, und beklagte, dass die Abgeordneten den Plänen des Königs allzu willfährig folgten. Ludwig Uhland war zeitlebens ein Gegner des Elitarismus im Deutschland des 19. Jahrhunderts: Schon in seiner Studienzeit hatte er zusammen mit Justinius Kerner ein „Sonntagsblatt für ungebildete Stände“ publiziert, eine Zeitung die ein Stuttgarter „Morgenblatt für gebildete Stände“ persiflieren sollte.
Der Dichter war aber nicht nur bedeutsam als Politiker und Dichter, sondern auch als Wissenschaftler: 1829, nach langem Bemühen, erhielt er eine Professur für deutsche Sprache und Literatur an der Universität Tübingen. Seine Arbeiten beschäftigten sich mit deutscher Mediävistik (Mittelalterkunde) und den Werken Hölderlins, der zu dieser Zeit ebenfalls in Tübingen, zurückgezogen und psychisch labil im heutigen Hölderlinturm lebte. Außerdem gilt Uhland als Mitbegründer der Romanistik; besonders französische Werke weckten sein Interesse. Seine Zurückhaltung verwehrte ihm aber auch einen größeren wissenschaftlichen Erfolg, zu oft zögerte er die Veröffentlichungen seiner meisterhaften Abhandlungen so lange heraus, bis ein anderer das Thema schon behandelt hatte.
Trotzdem war der Dichter zeitlebens eine Bekanntheit, auch über die Region hinaus. In Tübingen wurde er an seinem ersten Tag von einem studentischen Chor empfangen, so berühmt war er geworden. Uhland galt im 19. Jahrhundert als absoluter Star, auf einer Stufe mit Goethe und Schiller. Eine Geschichte besagt, er habe in Stuttgart einen Lorbeerkranz beim seinem Auszug nach Tübingen bekommen, den er anschließend im Wald an einen Baum hing, da er meinte, die Natur habe die Ehrung viel eher verdient.
Revolution und Rückzug – Was bleibt von Uhland?
Im Zuge der Ereignisse des deutschen Vormärzes 1848 trat Uhland noch einmal auf die politische Bühne, weil er von den Tübinger Bürgern ins erste deutsche Parlament in die Frankfurter Paulskirche gewählt wurde. Uhland vertrat hier einen linken, demokratischen Kurs, schloss sich aber keiner Fraktion an. Er sprach sich für die Abschaffung des Adels aus, befürwortete eine Volksbewaffnung und war gegen einen Kompromiss mit den Fürsten. Außerdem befürwortete er die „großdeutsche Lösung“ und eine Art Wahlkönigtum statt der Erbmonarchie. Nachdem das erste demokratisch gewählte deutsche Parlament abgesetzt wurde, formten die demokratischen Abgeordneten einen Nachfolger in Stuttgart. Dort rief Uhland in einem Text die Bevölkerung zum Aktionismus für die Demokratie auf. Sein Plädoyer verhallte aber unter den donnernden Stiefeln und dem Kanonenfeuer der württembergischen Armee, die auf Befehl des Königs die alten, vorrevolutionären Zustände in Deutschland wiederherstellte. Ein geeintes Deutschland sollte erst 1871 entstehen, das Ende der Fürstenherrschaft ließ noch bis 1918 auf sich warten.
„Wenn ein Gedanke, der die Menschheit ehrt, den Sieg errang, so war’s der Mühe wert.“
Ludwig Uhland
Nach dem Ende der revolutionären Phase 1850 arbeitete Uhland eher zurückgezogen in Tübingen als Privatlehrer. Bei der Beerdigung seines Freundes Justinius Kerner, der ihn ein Leben lang begleitet hatte, zog er sich ein eine Erkältung zu, die er nie wieder auskurieren sollte. Am 13. November 1862, kurz nach seinem 75. Geburtstag verstarb Uhland in Tübingen. In Deutschland und ganz Europa wurden Trauerfeiern abgehalten. Durch Gedichte und politische Tätigkeit bekannt geworden, verkörperte er für viele Menschen den Traum vom einigen und freien Deutschland. Und so ist es auch kein Wunder, dass schon 1873 ein Uhlanddenkmal in Tübingen, finanziert aus landesweiten Spenden, eingeweiht wurde. Später wurde Uhland auch durch Straßen, Schulen, einen Stuttgarter Hügel (die Uhlandshöhe) und sogar einen amerikanischen Ort gedacht, doch am häufigsten begegnen wir Ludwig Uhland wahrscheinlich durch das Logo einer Firma: Die Tübinger Buchhandlung Osiander gestaltete ihr Zeichen nämlich nach einem Scherenschnitt des Dichters.
Wer mehr über den Tübinger Dichter, Denker und Lenker erfahren möchte, sollte sich das Buch „Ludwig Uhland. Tübinger Linksradikaler Nationaldichter“ ansehen, das anlässlich einer Ausstellung im Stadtmuseum in Zusammenarbeit mit der Universität entstanden und in der Universitätsbibliothek vorhanden ist:
Braungart, Georg et al. (Hrsg.): Ludwig Uhland. Tübinger Linksradikaler Nationaldichter. Tübingen 2012.
Dieser Artikel ist der erste Teil einer wöchentlichen Reihe. Seid gespannt, welche Biografien bekannter Unbekannter es in den nächsten Wochen noch zu entdecken gibt!
Beitragsbild: Joshua Wiedmann
Bilder: Wikimedia Commons