Am vergangenen Montag fand im Ribingurūmu wieder ein Querfeldein Abend statt. In gemütlicher Atmosphäre las der Schriftseller und Journalist Eckhart Nickel aus seinem neuen Buch „Hysteria“, sprach über Schönheit und lies sich auch eine kleine Parfum-Kritik nicht entgehen. Mit dabei war sein Freund und Schriftsteller Christian Kracht. Spontan gab es ein paar Leseeindrücke aus ihrer Zeitschrift „Der Freund“ und Geschichten von ihrer Zeit in Katmandu.
Auf dem Tisch steht ein Glas Apfelwein, ein Buch, dessen Cover mit einem Zweig Maulbeeren geschmückt ist und daneben sitzt auf einem großen Sofa Eckhart Nickel. Er ist mit seinem neuen Roman „Hysteria“, der für die Longlist des diesjährigen Deutschen Buchpreises nominiert ist, zu Gast bei Querfeldein. Auch eine Schale Himbeeren darf da natürlich nicht fehlen. Denn: „Mit den Himbeeren stimmt etwas nicht.“, zumindest mit diesen in Nickels neuen Roman.
Bergheim, der Protagonist, lebt in einer Welt, in der sich alles nur noch um das Essen dreht und die Kulinarik mehr oder weniger zur Ersatzreligion geworden ist. Seine Hypersensibilität lässt ihn die kleinsten Veränderungen in seiner Umwelt erkennen, die sonst keiner zu bemerken scheint. Eines Tages entdeckt er unnatürlich aussehende Himbeeren und stößt beim Versuch, ihrer Herkunft auf den Grund zu gehen, auf immer mehr Merkwürdigkeiten. Seine Nachforschungen führen Bergheim zum Kulinarischen Institut und der Gruppe des „spurenlosen Lebens“. Eine Bewegung, die sich zu einer öko-totalitären Ideologie entwickelt hat: Sämtliche Eingriffe in die Natur sollen unterlassen werden, der Mensch darf sich nicht mehr an der Natur bedienen und soll seine Existenz, als Kern aller Probleme, in letzter Konsequenz vollends aufheben.
Die Schönheit als Antrieb beim Schreiben
In gestyltem Outfit, mit weißer Hose und zurechtgekämmten Haaren sitzt Nickel auf diesem großen, alten Sofa. Dass er Ahnung von Mode hat, ist kaum zu übersehen. Auf die Frage nach seinem Sinn für Mode erzählt er, dass für ihn nicht ausschlaggebend sei was eine Person trägt, vielmehr aber die Art und Weise wie derjenige es trägt. Ihn begeistern Menschen bei denen man den Eindruck hat, dass sie sich im Einklang mit sich selbst und dem was sie tragen befinden. Aber nicht nur in der Mode auch in seinem Schreiben weist Nickel der Schönheit große Bedeutung zu. Er sieht es als Antrieb, beim Schreiben und in seinem Leben das Schöne zu definieren und zu beschreiben. Die Sprache der Literatur hilft, sagt er, der Schönheit dieser Welt ein Stückchen näher zu kommen.
„Es gibt kaum etwas Vergänglicheres, aber auch Schönes, wie ein gutes Parfum“
Neben dem Schreiben zählen auch Düfte zu Eckhard Nickels Passion und dementsprechend auch das Schreiben über Gerüche. Selbst bezeichnet er sich als Parfum-Kritiker. Für die Süddeutsche Zeitung schrieb er eine Kolumne Namens „Duftprobe“ über Gerüche aller Art, brachte mit einem russischen Verleger einmal beinahe ein Buch mit seinen Parfum-Kritiken heraus und veröffentlicht jetzt einmal im Jahr seine Parfum-Kritiken im FAZ-Magazin.
Bei einer kleinen Live-Parfum-Kritik stellte er bei Querfeldein seine gute Nase unter Beweis und erzählte davon, was für ihn ein gutes Parfum ausmacht: Dezent genug, um Raum für die Person zu lassen, die es trägt. Für ihn ist der Geruchssinn der „unwidersprüchlichste“ Reiz, der die Stimmung eines Menschen im Positiven, wie im Negativen beeinflussen kann. Auch in seinem Roman bleibt dieses Thema nicht außen vor: In einer Aromabar wird dort von zwei ehemaligen Lebensmittelstudenten eine Oase des Wohlgeruchs kreiert. Die Essenz eines Duftkünstlers stimmt die Menschen extrem enthusiastisch und verleiht ihnen auffällig gute Laune.
Ein unerwarteter Überraschungsgast
Als kleine, aber doch große Überraschung brachte Nickel zur Veranstaltung den Schriftseller Christian Kracht mit. Nickel und Kracht sind schon viele Jahre befreundet und brachten zwischen 2004 und 2006 mehrere Ausgaben der Literaturzeitschrift „Der Freund“ heraus. Zu Beginn der Arbeit verschlug es die Beiden nach Katmandu in Nepal. Aus drei Hotelzimmern, die sie in ein Redaktionsbüro umfunktionierten, schrieben und arbeiteten sie dort zwei Jahre lang an insgesamt acht Ausgaben.
Nachdem sich Kracht während des gesamten Abends gekonnt im Publikum versteckt hatte, gesellte er sich zum Ende der Veranstaltung zu seinem Freund nach vorne. Gemeinsam schlossen sie den Abend mit einer Lesung aus einer ihrer im „Der Freund“ erschienenen Kolumnen namens „Männer bei der Arbeit“.
In ausgelassener und fröhlicher Stimmung ging ein gelungener Abend zu Ende. Was bleibt, ist auf jeden Fall die Lust „Hysteria“ zu lesen und für Eckhart Nickel, abgesehen von einem roten Himbeerfleck auf seiner weißen Hose, hoffentlich eine gute Erinnerung an Querfeldein in Tübingen.
Fotos: Marko Knab