Regisseur Vincent Garenq verfilmt in seinem spannungsgeladenen Thriller „L’Enquête – Die Clearstream-Affäre“ die größte Schwarzgeldaffäre Frankreichs, enthüllt durch den Journalisten Denis Robert. Nach einer wahren Begebenheit.

„Wenn ich gewusst hätte, dass diese Suche mich in eine solche Scheiße bringen würde – ich hätte es nicht getan“, sagt sich Gilles Lellouche alias Denis Robert. Benommen stolpert er in den Garten und torkelt über das grüne Gras. Die taumelnde Kamera zeigt eine Nahaufnahme seines blassen, verzweifelten Gesichts und geht schließlich mit zu Boden, als er in Ohnmacht fällt. Alles wird schwarz.

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Unglaubliche Enthüllungen

Rückblick: Februar 2001. Nach der Kündigung des ehrgeizigen Journalisten Denis Robert (Gilles Lellouche) wegen korruptionskritischer Artikel recherchiert dieser auf eigene Faust weiter – und macht unglaubliche Entdeckungen: Das luxemburgische Clearingunternehmen Clearstream besitzt angeblich geheime Konten, auf die enorme Summen an Schwarzgeld fließen. Nachdem Robert in seinem Buch „Révélation$“ (dt. Enthüllungen) öffentliche Anschuldigungen erhebt, beginnt ein nervenaufreibender gerichtlicher Prozess, in den sich Robert immer mehr hineinsteigert.

Auch Untersuchungsrichter Renaud Van Ruymbeke (Charles Berling) wird Teil der Affäre, als er anonym eine Liste mit Namen zu den besagten Konten erhält. Neben Namen wie Nicolas Sarkozy oder Osama Bin Laden tauchen auch Airbus Group und das Unternehmen Thomas-CSF, das zu der Zeit französische Fregatten an Taiwan verkauften, auf. Doch wie hängen diese Personen mit einem Clearingunternehmen zusammen?

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Garenqs Finger in der Wunde

Die vielen parallelen Handlungsstränge werden aus unterschiedlichen Perspektiven erzählt und erst am Ende des Films zusammengeführt – und halten somit die Spannung über den ganzen Film hinweg aufrecht. Die verworrene Thematik dieses dokumentationsartigen Thrillers ist anspruchsvoll, beeindruckt aber dennoch durch ihren politischen und gesellschaftskritischen Wahrheitsgehalt. Die Musik passt sich der Stimmungslage der Hauptperson an: In Momenten voller Glück oder Wut wummert dem Zuschauer lauter Rock in den Ohren. Die gelegentliche Hand-Kameraführung, wie bei der Ohnmachtsszene, und der gezielte Einsatz von Farbe und Beleuchtung erwecken den Eindruck von Realität – ebenso wie die Einblicke in Roberts langsam zerbrechendes Privatleben. Seine Töchter entgleiten ihm, er vergisst sogar ihre Geburtstage.

Die Handlung des Films legt den Fokus auf die aktuelle Thematik der Meinungsfreiheit. Dieser Aspekt ist dem Regisseur Garenq sehr wichtig, wie bereits der Arbeitstitel des Films deutlich machte: „Recht oder Chaos“. Dieser Gegensatz zieht sich bis in die heutige Zeit, 14 Jahre nach Beginn des Verfahrens. Trotz neuem Präsidenten und einem vorläufigen Ende des Prozesses legt Garenq den Finger in die Wunde und rollt den Fall erneut auf. Denn nächstes Jahr möchte Sarkozy wieder als Präsident des Landes zurückkehren. Doch wird ihm das nach alledem gelingen? Es bleibt spannend.

L‘ENQUÊTE, Frankreich 2015 – Regie: Vincent Garenq. Buch: Vincent Garenq, Stéphane Cabel. Kamera: Renaud Chassaing. Mit: Gilles Lellouche. 106 Min.

Text: Jennifer Zajonz (19) studiert Französisch im dritten Semester und lässt sich mit Filmen aller Art in andere Welten versetzen.

Diese Filmkritik entstand im Rahmen des FestivalTV der Französischen Filmtage im Filmkritikworkshop von Hanne Detel, Institut für Medienwissenschaft, Uni Tübingen.

Fotos: copyright Films Distribution

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