Ein Ex-Häftling aus Guantanamo, eine Erpressung und die Frage nach dem Richtigen – die Mockumentary „Confusion“ von Dario Cerruti und Yacine Brahen deckt mit meist heimlichen Kameraaufnahmen einen Politskandal auf.
„Wir haben genug von diesen Bananenfressern“, schreit ein Mann in den Mittfünfzigern in die Kamera. Es herrscht ein heilloses Chaos in der Kantonstadt Genf. Menschen mit Plakaten, ein hektisches Treiben, Gebrüll. Die Terroristen sollen draußen bleiben, schallt es einvernehmlich. Dann eine Frau im Interview: „Das Gefängnis von Guantanamo ist eine Schande für die westliche Welt!“ Wie der Filmtitel „Confusion“ schön umschreibt – Verwirrung auf der Leinwand und auch beim Zuschauer.
Wer hält die Fäden in der Hand?
Caroline Gautier (Caroline Gasser) ist Staatsrätin und momentan dafür zuständig, einen begnadigten Ex-Häftling aus Guantanamo auf Schweizer Boden willkommen zu heißen. Doch der aus China stammende Mann wird auf dem Flughafen in Bern festgehalten. Einige Politiker versuchen seine Einreise mithilfe gewiefter Tricks – etwa einer Erpressung – zu verhindern. Und ein chinesischer Diplomat möchte den ehemaligen Sträfling lieber vor einem asiatischen Gericht und nicht in der Schweizer Freiheit sehen.
Studenten einer französischen Filmschule haben das Glück, die misslungene Ankunft des Ex-Häftlings aufnehmen zu können. Nicht ganz legal spionieren sie involvierte Personen gekonnt aus und gelangen somit an heikle Informationen. Ein Kampf der Politgiganten, der unter dem Deckmantel der Diplomatie ausgefochten wird, und die Frage, ob die Menschlichkeit siegt, der Ex-Häftling schlussendlich freigelassen wird – das ist „Confusion“.
Die Kamera – ausgezeichnet
Der Film lässt den Zuschauer lange im Ungewissen, ob es sich um eine reale oder fiktionale Dokumentation (Mockumentary) handelt. Die Kamera ist stets nur der Mitläufer, der ständige Begleiter, der den Protagonisten an den Versen klebt – wie in einem Dokumentarfilm. Oft werden Handkameras verwendet, die eine realitätsnahe Erzählstruktur ermöglichen. Das Bild wackelt und die Schritte des Kameramanns sind durch das Schwanken nachvollziehbar. Doch die Kamera ist auch lauernd und überwachend: Bei prekären Situationen wird das Aufnahmegerät gerne mal in einer Topfpflanze oder zwischen den Sitzen der Bahn versteckt. Erst durch die sich kontinuierlich zuspitzenden Ereignisse wird das Schauspiel – die Fiktion – entlarvt.
Eiskalte Staatsrätin
Caroline Gasser mimt die immer reservierte und emotionslose Staatsbeamtin Gautier perfekt. Die Erpressung steckt sie kühl weg und ist darum bemüht, sich nichts anmerken zu lassen. Man hat weiterhin das Gefühl, sie habe alles im Griff und lenke das Geschehen, obwohl in Wahrheit alles aus dem Ruder gerät.
„Confusion“ ist ein authentischer Film, der zu einer Fülle an eigenen Gedanken und Interpretationen anregt. Für Politikinteressierte und Freunde der wirklichkeitsnahen Verfilmung ist dieses dramaähnliche Kunstwerk zu empfehlen; für Liebhaber der Genres Action, Horrorfilm oder Liebesschnulze wohl eher nicht.
CONFUSION, Schweiz 2014 – Regie Dario Cerruti, Yacine Brahen. Buch: Laurent Nègre. Kamera: Christian Lutz. Mit: Caroline Gasser, Simon Roming. 75 Min.
Text: Maya Morlock (20) studiert Medienwissenschaft im fünften Semester in Tübingen. Die Animationsfilme von Pixar und Tim Burton liebt sie am meisten – sie entführen in eine phantastische Welt.
Diese Filmkritik entstand im Rahmen des FestivalTV der Französischen Filmtage im Filmkritikworkshop von Hanne Detel, Institut für Medienwissenschaft, Uni Tübingen.
Fotos: copyright Bord Cadre Films