Zauberhafte Orte: Ein Ort wie ein (gebrochenes) Versprechen

Das Clubhausfest- der etwas andere zauberhafte Ort. Eine Hommage an die altbewährte, donnerstagabendliche Tanztradition.

Wie verirrte Seelen schwirren die Strahler in rot und blau über den verklebten Boden, bereit in Bewegung zu überführen, was auch immer Röhrenjeans und Sneaker in den Raum tragen. Von der Bowle gesprächig gemacht schreiten sie, einer nach dem anderen, in den engen Raum. Selbst Wassereis hat sich angekündigt- in allen Farben, außer braun. Grün beginnt.

Tanz bedeutet Ausbruch. Tanz bedeutet Freiheit, das Entfernen der Seelen von den Mühen der profanen Tagesstund. Schon die großen Denker vergangener Tübinger Jahrhunderte wussten darum. Hegel verleitete deshalb einst gar seinen Freund Descartes eben an diesem Ort zu dem Ausspruch: „Cogito ergo sum!“- Ich tanze, also bin ich.

Schade nur, dass sich diese Daseinsvergewisserung zwingend geknüpft sieht an die Form dessen, wessen sie sich vergewissert. An den Anspruch, den das auf dem Tanzboden zu David Guetta Bowle aus Plastikbechern kippende Wesen, an sein eigenes Dasein stellt. Und so bleibt der Schrei nach dem Ausbruch an diesem Abend meist nur ein Nicken zum Beat.

„Die Welt ist schlecht, lass uns tanzen gehen“, spricht es aus dem vorsichtigen Tippeln der Beine, das sich nur Jahre später in „Die Welt ist schlecht, lass uns einen Rasenmäher kaufen“, übersetzt. Durch die gleichförmige Banalität der Melodie schwingt bereits die frisch geputzte Fassade des Eigenheims. Die weißen Lichter der Discokugel drehen an der Decke unaufhaltsam ihre Kreise, spinnen nach und nach einen Kokon aus Ordnung und Konstanz um Studierendenseelen, die genau danach dürsten und die ihn später mit nach Hause tragen werden, wo er sich zwischen ungeschriebenen Hausarbeiten und einem schlechten Gewissen wieder zerreibt. Doch das macht nichts, bald ist ja wieder Donnerstag.

Drei Wassereis – blau, rot, gelb (in dieser Reihenfolge)- und einmal Robbie Williams später, wird der eigene Drang nach dem Ausbruch immer größer. Und mit ihm die Gewissheit: Wer sich nach Ausbruch sehnt, sehnt sich nach Mehr und sehnt sich gar nicht nach Konstanz. Und so wird das Clubhaus Donnerstag für Donnerstag Schauplatz eines Missverständnisses. Immer neue FachschaftlerInnen treten an mit dem immer gleichen Versprechen vom Wartezimmer in den Aufwachraum des „echten Lebens“, von der Umkleidekabine ins „wahre Ich“. Aber wer findet das schon bei Avici? Und wenn doch, wer will dieses Ich?

„Wer sein will muss werden. Und wer werden will muss wollen: Den Ausbruch, die Freiheit und den Tanz.“ So steht es in Stein gemeißelt auf den tragenden Säulen des inneren Werdens, in der Präambel zum Grundgesetz geistiger Freiheit. Und nur wenige Zeilen später, in Paragraph vier, Absatz drei, heißt es: „Ausbruch  ist nicht jeden Donnerstag und nicht immer um halb zehn. Ausbruch ist nicht verwandt mit David Guetta. Und Ausbruch will eine Discokugel, die auch mal andersherum dreht.“

Und trotzdem: Gott sei Dank gibt es das Clubhausfest. Noch weniger als das Nicken zum Beat wäre schließlich gar kein Tanz. Und wer fände sich da nicht verloren wieder, aufgebraucht und zerrieben irgendwo zwischen Schreibtisch und Suppenausgabe. Nein, wer schon nicht will, der braucht: Einen Kokon, auch wenn er nur Stunden hält. Und den verklebten Boden. Einen Scheinwerfer, der durch den Raum schwirrt, oder auch zwei. Und wenn sich doch mal einer nach Ausbruch sehnt- unten am Kühlschrank sollt er das Suchen beginnen. Denn Wassereis ist immerhin ein Anfang- vor allem das rote.

Foto: http://bit.ly/1Taz52J

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