Vergangenes Wochenende kam es zu sexuellen Übergriffen auf zwei von der Fachschaft Erziehungswissenschaft organisierten Parties im Epplehaus. Um die Fachschaft und OB Palmer brach eine Debatte über Sexismus und Rassismus aus, unter der, nicht zuletzt, die „Themenwoche Kritik“ zu leiden hatte.
Letztes Wochenende kam es beim Paedfeschd und einer Queerparty im Epplehaus zu Fällen sexueller Belästigung. Im Laufe der jüngsten Tage meldeten sich, vor allem über Facebook, verschiedene Personen zu den Geschehnissen zu Wort. Die Fachschaft berichtete von „massiven Grenzverletzungen und sexuellen Belästigungen“, die weder sie, noch das Epple-Team in den Griff bekamen. Laut Stellungnahme des Epplehauses befinden sich der Epplehaus-Verein und die Fachschaft, mit Unterstützung des Netzwerks Antidiskriminierung, im engen Austausch. Das Schwäbische Tagblatt veröffentlichte am 18.05. einen Artikel, laut dem es „am Wochenende zu Übergriffen männlicher Gäste, darunter auch Schwarze“, gekommen sei. Nachdem sich Tübingens OB Palmer schon im Februar 2016 für einen härteren Kurs in der Flüchtlingspolitik aussprach und die Sorge um „blonde Töchter“ artikulierte, veröffentlichte der Bürgermeister, via Facebook, an ihn gerichtete Nachrichten von betroffenen Frauen. Der Fokus der Nachrichten lag auf der Gesamtsituation in Tübingen bezüglich des Sicherheitsgefühls, der „Handlungen eines gewissen Phänotyps“, oder präziser „dem Problem mit den Afrikanern“. Trotz Palmers Haltung: „Diskriminieren ist falsch. Ignorieren ist auch falsch“, entbrannte, nicht nur in den Kommentaren, eine Diskussion über Zuwanderung und Flüchtlinge.
Sexismus betrifft Alle
Das Epplehaus machte deutlich, dass es innerhalb ihrer besprayten Wände keinen Platz für Sexismus gibt, das Problem jedoch weder leicht zu bekämpfen, noch einem bestimmten Kulturkreis zuzuschreiben ist. Den Veranstaltern erscheint es als rassistischer Reflex, anhand der Stellungnahme der Fachschaft Erziehungswissenschaft auf eine vermeintliche Tätergruppe zurückzuschließen, da in deren Text keinerlei Hinweis auf die Herkunft der Täter enthalten ist. Sie werfen Palmer vor, den an die Betroffenen gerichteten Text zu instrumentalisieren und verweisen auf die Gefahr rassistisch motivierter Gewalttaten in Europa. Die Fachschaft Erziehungswissenschaft, als auch das Epplehaus bieten sich als Ansprechpartner an und laden die Betroffenen zum Dialog ein.
Das verteidigen, was man kritisiert. Und kritisieren, was man verteidigt.
Was am Freitag, den 19.05., der Ausklang zur von der Fachschaft Erziehungswissenschaft organisierten Themenwoche „Kritik“ werden sollte, war vom Medienrummel um die Fachschaft überschattet. Statt sich „Auf eine Tasse Kritik“ zu treffen und mit den Gästen über die Kritik im Kontext der universitären Lehre zu sprechen, wurde die Diskussion vertagt, die Gäste ausgeladen und Andreas Foitzik vom Netzwerk Antidiskriminierung e.V. kam zu Wort. In wissenschaftlicher Manier erörterte man „Möglichkeiten und Bedingungen von Kritik am aktuellen Beispiel“. Der konsequente Einsatz gegen sexualisierte Gewalt ist von höchster Priorität, doch dieses Anliegen darf nicht von Populisten instrumentalisiert werden, um gegen einzelne Bevölkerungsgruppen zu hetzen. Unter dieser Grundhaltung verliefen Vortrag als auch Diskussion. Die Debatte über sexuelle Übergriffe, die seit der Kölner Silvesternacht keinen Abbruch getan hat, findet im Epplehausvorfall seine Fortsetzung. Das in der Debatte allgemeingültige Anliegen der Fachschaft, sowohl Tätern als auch Opfern gerecht zu werden, wurde besonders betont. Im Kern demokratischer Verhältnisse liege es daher, Straftäter fair und respektvoll zu behandeln und im Einzelfall und nie als Gruppe zu behandeln. Unter der Maxime, Frauen zu schützen, soll man sich auf die Opfer konzentrieren, und diesen beistehen, ohne sich zu stark mit den Tätern auseinanderzusetzen. In diesem Konflikt findet man sich in dem Dilemma, alle Geschichten sehen zu müssen, ohne gleichzeitig die Taten zu relativieren oder zu bagatellisieren. Es hilft weder einfaches Reden, noch einfaches Handeln. Demnach biete Facebook nicht die richtigen Voraussetzungen für derartige Anforderungen. Den Kardinalfehler, ein Statement auf Facebook zu löschen, weil daraufhin eine unerwünschte Reaktion folgt, entschuldigt das nicht. Mit der Frage, wie man sich seiner politischen und pädagogischen Verantwortung gerecht wird, zog sich die Fachschaft zurück um abzuwägen und zu bilanzieren. Da die Realität komplexer ist als Sprache, muss es Ziel sein, dass Intellektuelle ihre Rolle wahrnehmen und Räume und Netzwerke schaffen, in denen schwere Thematiken wie Sexismus und Rassismus besprochen werden können. Mit dem Anspruch Kritik auszuhalten und Menschen zu sensibilisieren endete die Veranstaltung.
Fotos: Felix Müller