Theater ist nicht so dein Ding? Das dachte sich unser Autor auch, bis er am Dienstagabend das Stück „Der Vorname“ der Theatergruppe Scenario besucht hat. Für preiswerte sechs Euro bietet es neben massig zynischem Humor und viel Satire noch haufenweise Denkanstöße zu diversen Themen.
Wir kennen es alle. Der obligatorische Theaterbesuch in der Oberstufe. Quälend lange, sinnfreie Monologe und ein Plot, so spannend wie die alljährliche Steuererklärung. Nachdem ich Danton, Agnes und Walter mehr mürrisch als motiviert ertragen hatte, war ich überzeugt davon in nächster Zeit kein Theater mehr zu betreten. Am Dienstagabend tat ich es dann doch. Und eins sei gesagt: Ich habe es wirklich nicht bereut.
„Adolphe ist tot, es lebe Adolf!“
Das Brechtbau-Theater ist fast komplett gefüllt, als der Erzähler am Rande der Kulisse eines bildungsbürgerlichen, altmodischen Wohnzimmers anfängt, die Charaktere vorzustellen. Der Hausherr Pierre (Thomas Rösner), Professor für französische Literatur, besserwisserischer und stocksteifer Moralist, seine Frau Babou (Amelie Frank), Französischlehrerin an einer Vorstadtschule und die dünnhäutige Personifikation des konservativen Frauenrollenbildes. Außerdem ihr Bruder, der gewitzte, werdende Vater Vincent (Harald Papp) mit seiner Frau Anna (Hannah Schmieg). Ebenfalls eingeladen ist Claude (Simon Kloock), Babous harmoniesüchtiger bester Freund aus Kindheitstagen. Eine explosive Gesellschaft.
Durch den ironischen Erzählstil und die ersten kurzen Dialoge wird mir schon bald klar, dass es sich hier nicht um eines der altbackenen Werke aus der Schulzeit handelt, sondern dass es um Unterhaltung statt Belehrung geht. Im Laufe des Stücks entwickelt sich eine Kontroverse über Vincents Plan, seinen Sohn „Adolf“ zu nennen. Alle Beteiligten lehnen den Namen aufgrund von offensichtlichen historischen Bezügen ab. Dass es sich bei der Namensplanung nur um einen Scherz Vincents handelt, wird erst nachträglich klar. Die später eintreffende Anna verschärft die hitzige und ungeheuer witzige Diskussion, zumal sie von dem kleinen Scherz ihres Mannes nichts weiß.
Philosophie mit Pointen
Der Ton wird ruppiger. Während Beleidigungen und Geständnisse das Geschehen auf der Bühne bestimmen, ertönt schallendes Gelächter im Publikum. Bei diesem herrlich tragischen Familiendrama muss man einfach mitlachen. Trotzdem eröffnet sich hier auch eine tiefergreifende Ebene: Offenheit und Ehrlichkeit wird thematisiert. Wie offen kann man sein, ohne seine Mitmenschen zu verletzen? Gibt es Dinge die man einfach nicht sagen kann? „Jeder hat seine kleinen Geheimnisse. Die verborgenen Ecken im Leben“ erklärt Pierre, doch bevor ich weiter darüber nachdenken kann wird schon munter weiter diskutiert.
Langsam wendet sich der Schlagabtausch und weitere Geheimnisse kommen ans Licht. Auf einmal spielen Klischees, Konventionen und Tabus eine große Rolle. Eine geballte Menge Aufrichtigkeit und das alles wegen Adolf. Wer wissen möchte, wer das größte Geheimnis enthüllt und was das alles mit dem Kellerschlüssel zu tun hat, sollte sich das heitere Schauspiel selbst anschauen und sich davon überzeugen, wie spritzig und gehaltvoll Schauspiel sein kann. Mich hat die Theatergruppe Scenario jedenfalls überzeugt, eventuell doch öfters ins Theater zu gehen.
Scenario tritt vom 23. – 26.01. und am 28.01.18 um 20 Uhr im Brechtbau-Theater auf. Wer noch Karten haben möchte sollte sich beeilen und sie auf der Webseite des Ensembles vorbestellen oder ab 19:30 im Brechtbau sein.
Fotos: Theatergruppe Scenario