Thou shalt not understand

Am 6. Januar wäre Richard II, König von England, 650 Jahre alt geworden. Die Provisional Players feierten dieses Jubiläum eine Woche später mit ihrer Aufführung des gleichnamigen Werks von William Shakespeare. Unter den Augen eines vollbesetzten Brechtbau-Theaters wurden Intrigen gesponnen und Könige gestürzt.

Schon beim Betreten des Vorführraums ahnt das Publikum, dass keine Mühen gescheut wurden, dem Namen Shakespeares gerecht zu werden. Die vertauschten Bühnen- und Publikumsraum ergeben neue Spielräume, wie sie den eifrigen Anhängern des Brechtbau-Theaters bisher unbekannt waren. Auch die Kostüme mit Kettenhemden, eisernen Helmen, großen Roben und Schwertern, entsprechen ganz dem, was man von „Richard II“ erwarten würde. Nun sind es aber nicht das Bühnenbild und die Kostüme, die ein Theaterstück zum Erfolg führen, sondern Schauspieler und die Interpretation des Werks. Und hier, so seltsam es auch klingen mag, ist die Produktion über das Ziel hinausgeschossen, die Authentizität des Stücks zu wahren. Doch dazu später mehr.

„For within the hollow crown keeps death his court.“

Nach Macbeth und Julius Ceasar, bringen die Provisional Players ihre Reihe der Königsmorde zu einem Ende. Wer bereits in den Genuss eines der beiden Stücke gekommen ist, wird wissen, dass Shakespeares Handlung nicht ohne mindestens ein dutzend Charaktere, komplexe Familienbande und mehrere Handlungsstränge auskommt. Es soll deshalb nur festgehalten werden, dass sie in ihrer neusten Aufführung den Niedergang von König Richard II, in einer Hosenrolle gespielt von Janet Giehl, durch die Hand von Henry Bolingbroke (Oliver Schröder) schildern. Während der vergnügungssüchtige Herrscher Englands zu einem Irlandfeldzug aufbricht, landet Borlingbroke mit seinen Armeen an der Küste und wird mit offenen Armen von Volk und Adel empfangen.

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König Richard 2 – im Jahr 2017 verkörpert von einer Frau (Janet Giehl)

Richard II gilt als eines der provokativsten Stücke die Shakespeare geschrieben hat und wurde zu seiner Zeit nur in zensierter Version gespielt. Zu groß war die Furcht der Aristokratie, dass ihre Untertanen das Stück auf ihr eigenes Leben reflektieren und sich gegen ihre Herren erheben könnten. Diese Befürchtung braucht in Deutschland niemand zu haben. Zum einen wegen der Demokratie, zum anderen, weil nur die wenigsten das Stück überhaupt verstehen könnten.

„They love not poison that do poison need, Nor do I thee.“

Shakespear´sches Englisch ist bereits beim Lesen eine Herausforderung, der man am besten mit einem Wörterbuch begegnet. Die Handlung des Stücks ohne wenigstens ein Grundstudium in Anglistik zu verstehen, entwickelt sich bei einer Spieldauer von beinahe 3 Stunden (mit Pause) zu einer Konzentrationsfrage. Glücklicherweise vermitteln die Schauspieler auch durch Gestik und Mimik einen Teil der Handlung, sodass auch Besucher in Erwartung von leichter Abendunterhaltung auf ihre Kosten kommen. Eine besonders beeindruckende Leistung bot dabei Silvio Martin als Duke of York. Stimmgewaltig und mit einem Sinn für die Dramatik, kaufte man ihm in jeder Szene sein blaues Blut ab.

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Überzeugende Leistung von Silvio Martin als Duke of York

„My heart is not confederate with my hand.“

Obwohl es größtenteils schwierig war den Dialogen zu folgen, war das Stück doch insgesamt sehr unterhaltsam und die Aufführung eines echten Shakespeares auch so fantastisch. Noch bis Freitag kann man in den Genuss authentischer Englischer Literatur kommen. Allerdings sollten Theaterbegeisterte, denen das Ohr für die Englische Sprache fehlt, es sich zweimal überlegen.

Veranstaltung und weitere Infos:

https://www.facebook.com/events/1723993341247575/

Fotos: Andrej Stern

http://www.herrvonstern.com/

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