Ein M.A. mit Geschmack

Doch eine Ausstellung ist viel mehr als allein die Planung, welcher Gegenstand in welchen Schaukasten gestellt und welcher Text damit verknüpft wird. Während der Themenfindung teilte sich der Kurs deshalb in fünf Organisationsgruppen auf: Neben dem Aufbauteam, das sich vorrangig um die Realisierung des Ausstellungsraums kümmerte, mussten Aufgaben im Pressearbeits-, Redaktions-, Finanz- und Dokumentationsbereich übernommen werden. „Hier können Studierende zugleich wissenschaftliches Neuland betreten und ganz praktisch lernen, was es heißt, eine Ausstellung zu konzipieren“, resümiert Thiemeyer, der die Betreuung eines solches Projekts zum ersten Mal übernimmt.

Bild 11_Geschmackssachen
Zwei Studierende beim Aufbau der Ausstellung in Ulm. Nur einer der vielen nötigen Schritte bis hin zur Eröffnung einer eigenen Ausstellung. Foto: Frieder Findeisen.

Designgeschichte trifft Kulturwissenschaft

Bei der Konzipierung der Ausstellung wurde deutlich, dass die wissenschaftlichen Ansichten der Studierenden relativ unterschiedlich waren. Während die Tübinger einen durch die Empirischen Kulturwissenschaft geprägten Blick einbrachten, kam von den Studierenden aus Schwäbisch Gmünd eine gestalterische Denkweise hinzu. Durch diesen interdisziplinären Charakter eröffneten sich neue Sichtweisen auf die Möglichkeiten, Gegenstände aus drei unterschiedlichen Sammlungen in einen Dialog um Geschmack treten zu lassen. Thiemeyer ist mit der Zusammenarbeit der verschiedenen Institutionen sehr zufrieden, denn: „Ein Ergebnis dieser Qualität hätte keiner der drei Partner alleine zustande gebracht.“

Die am Ende dieses Prozesses aus Sichtung, Planung und Realisierung stehende Ausstellung ist dieses Mal in Ulm zu sehen. Normalerweise sei das endgültige Ergebnis eines solchen Masterstudiengangsprojekts in Tübingen zu bewundern, so Projektleiter Thiemeyer, doch das die Ausstellungsräume des HfG-Archivs sein aufgrund seiner Vergangenheit der perfekte Ort für eine Ausstellung über Geschmack und gute Formen. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs war die dort entstandene Hochschule für Gestaltung eine der führenden Schulen für Produktdesign. Gründer Max Bill war Bauhausabsolvent und das neue Konzept stand für funktional-innovatives und demokratisches Design.

Bild 12_Blick in die Ausstellung
Das Ergebnis von drei Semestern Arbeit. Die fertige Ausstellung verknüpft Objekte zu Ensembles. Ein Zeitstrahl (der Mainstream, nicht im Bild) und eine Fotowand geben weitere Informationen. Foto: HfG Schwäbisch Gmünd.

Objektensembles für den Geschmack

Inwiefern dies mit Geschmack zusammenfällt, kann in den sieben Ensembles mit rund 30 Objekten in der Ausstellung „geschmackssachen“ von jedem selbst überprüft werden. In ihnen gehen die zahlreichen Objekte aus dem HfG-Archiv Ulm und der Sammlung des Gestalters Hans Roericht, sowie die Alltagsgegenstände aus dem Archiv des Ludwig-Uhland-Instituts interessante Kombinationen ein. Diese bieten dem Besucher neue Lesarten für die von den Köpfen der Hochschule für Gestaltung als revolutionär und innovativ empfundenen Dinge. Die Objektensembles provozieren einen Perspektivenwechsel, indem sie sich als Geschmackssachen zu erkenne geben, die man so oder so bewerten kann.

Dozent Thiemeyer und sein Seminarkurs sind vom Ergebnis schon einmal überzeugt. Studentin Sarah Halter gefällt das letztendliche Ergebnis: „Ich finde es schön, nicht nur die einzelnen fertigen Objektensembles zu zeigen, sondern auch den Weg dorthin.“ Den könne man durch eine Fototapete im Ausstellungsraum erkennen, die zahlreiche Bilder der Objekte aus den Sammlungen zeigt. Man kann hier nachvollziehen, wovor die Studierenden zu Beginn des Projekts standen. Auf die Frage, was die Ausstellung bewirken solle, hat sie auch eine Antwort: „Sie soll neue Perspektiven auf bewusst gestaltete, aber auch auf ganz alltägliche Dinge eröffnen.“

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Ein Ensemble, das im Ludwig-Uhland-Institut in Tübingen zu bewundern ist. Was könnten Matrjoschka und Stapelgeschirr wohl gemein haben? Foto: Felix Müller.

Anmerkungen:

Das Ausstellung „geschmackssachen – formen, normen, kaffeekanne“ entstand in Kooperation des Ludwig-Uhland-Instituts, der HfG Schwäbisch Gmünd und des HfG-Archivs Ulm und kann vom 5. Februar bis zum 8. Mai 2016 im Studio HfG Ulm besucht werden. Weitere Informationen sind auf der Internetseite des HfG-Archivs Ulm oder unter geschmackssachen zu finden. Ein kleiner Ausschnitt der Ausstellung ist außerdem mindestens bis zu Beginn des Sommersemesters im Ludwig-Uhland-Institut im Schloss Hohentübingen während der normalen Öffnungszeiten zugänglich.

Wer Lust bekommen hat, selbst bei einer Ausstellung mitzuwirken, kann also entweder den Master in EKW belegen oder in den Schlüsselqualifikationen der Universität Tübingen fündig werden. Der Career Service bietet hin und wieder zweisemestrige Ausstellungsseminare an. Zurzeit läuft bereits das Seminar für die in Kooperation mit dem Museum der Universität Tübingen MUT konzipierte Ausstellung Krankheit als Kunst(form): Moulagen der Medizin an.

Titelbild: Felix Müller

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