Mit Herz und Verstand gegen den Klimawandel

Mit einem Vortrag zu der Fragestellung „Was kann man tun, um Klimawandel möglichst effektiv zu begegnen?“ sind die Tübinger Klimatage in die zweite Woche gestartet. Am Montagabend im Weltethos-Institut erklärte der Politikwissenschaftler Johannes Ackva mögliche Lösungsstrategien, die sich vor allem auf bisher vernachlässigte Technologien konzentrierten, aus Sicht des Effektiven Altruismus.

Es sei „ein trauriges Thema“, zu dem sich gestern Abend zahlreiche Tübinger im Weltethos-Institut zusammengefunden haben, meinte Johannes Ackva – aber auch ein sehr relevantes. Das dachte sich vermutlich auch die Global Marshall Plan Lokalgruppe Tübingen, als sie die zahlreichen Veranstaltungen für die Klimatage Tübingen (25.10.-13.11.) planten. Angelehnt an die Weltklimakonferenz der UN in Bonn (6.11.-17.11.) wird in den nächsten Tagen noch ein vielfältiges Programm angeboten, von einer Klimadebatte am Dienstag bis hin zu einer Filmvorführung am Donnerstag.

Was ist Effektiver Altruismus?

Zu Beginn seines Vortrags erklärte Herr Ackva, welcher für den Think Tank adelphi in Berlin arbeitet, kurz den Ansatz des Effektiven Altruismus. Dabei wird versucht, alle Lebewesen global und gleichwertig zu berücksichtigen, um im Bewusstsein der eigenen Fehlbarkeit trotzdem die rational bestmöglichste Entscheidung zu treffen. Aktuelle Ziele werden als unabhängig von eigenen Wunschvorstellungen und Überzeugungen betrachtet – ein Punkt, bei dem viele Zuhörende später noch Diskussionsbedarf hatten.

Globale Treibhausgasemissionen in verschiedenen Zukunftsszenarien: Selbst eine vollständige Umsetzung der bisherigen politischen Ziele würde das 2°C Ziel um Längen verfehlen.

Mehr Energie für den globalen Süden…

Zunächst konzentrierte sich Akva darauf, den Zuhörenden die Notwendigkeit von billiger und skalierbar sauberer Energie begreiflich zu machen. Besonders im globalen Süden ist ein Anstieg von verfügbarer Energie mit einem Anstieg der Lebensqualität gleichzusetzen: Beispielsweise kochen drei Milliarden Menschen weltweit jeden Tag mit Biomasse, dabei ist Luftverschmutzung die größte Todesursache für vorzeitige Tode.

… gleichzeitig: CO2-Emissionen runter!

Anhand von Graphiken verdeutlichte der Referierende den minimalen Anteil, den erneuerbare Energien weltweit, wie auch in Deutschland, am gesamten Energieverbrauch einnehmen. Kohle ist dabei die mit enormen Abstand schädlichste Energiequelle, was die Emissionen wie auch die Gesundheitsschäden anbelangt. Im Vergleich dazu bewegen sich Wind-, Wasser-, Solar- aber auch Atomenergie auf ungefähr gleichen Level. Dass Atomenergie laut Präsentation sogar die beste Lösung in Bezug auf gesundheitliche Folgen sein sollte, entsetzte zahlreiche Zuhörende. Insbesondere die ältere Generation verwies auf nicht abschätzbare Langzeitfolgen von Atommüll. Auch über diesen Punkt wurde zum Schluss heiß diskutiert. Ackva, der sich auch auf Twitter pro Atomenergie outet, blieb bei seiner Meinung, dass es für das Klima deutlich besser sei, „erst die Kohle- und dann die Atomkraftwerke auszuschalten, nicht andersrum.“

Innovationen und Pluralismus

Ackva betonte die entscheidende Rolle von Carbon Capture and Storage Technologien, also die Speicherung von CO2, bei der schon in der Atmosphäre vorhandenes CO2 entzogen wird, und demnach „negative Emissionen“ entstehen.

Unabdingbar für ein zügigeres Vorankommen in der Klimapolitik seien außerdem deutlich höhere Ausgaben für fundamentale Forschung und Entwicklung im Bereich der Energietechnologien. Des Weiteren forderte Ackva eine Unterstützung von allen sauberen Energietechnologien (d.h. alle außer Kohle, Gas und Öl), einen Energiepluralismus, bei dem sich nicht auf eine oder wenige Technologien versteift werden soll.

Die Global Marshall Plan Lokalgruppe begrüßt das Publikum im Weltethos-Institut. Mit den zwölf Veranstaltungen der Klimatage wollen sie auch in Tübingen auf den Klimagipfel in Bonn aufmerksam machen.

Kontroversen und Protest im Publikum

Aus dem Publikum kam gegen Ende noch deutlicher Diskussionbedarf. Viele vermissten neben einer kritischeren Einschätzung von Atomenergie auch den Appell, den Energieverbrauch in Europa und Nordamerika zu senken und fragten auch nach politischen Lösungen oder Strategien gegen Lobbyarbeit aus der Industrie.

Der Referierende scheute trotz Meinungsdifferenzen jedoch keine Fragen, sondern rief sogar mehrmals explizit dazu auf, was man ihm in jedem Fall hoch anrechnen kann. Insgesamt war der Vortrag sehr angenehm gestaltet: Das Publikum wurde mit Quizfragen aktiv am Vortrag beteiligt und es gab eine kurze Pause, in welcher man Rhabarberschorle schlürfend und Baguette essend noch weiter debattieren konnte – ein spannender Einstieg in die zweite Woche der Tübinger Klimatage.

Die Folien zu dem Vortrag findet ihr hier.
Das weitere Programm der Klimatage findet ihr hier.
Fotos: Felix Müller
Grafik: http://bit.ly/2lx8CC8

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