Im Landestheater Tübingen: "Die Ehe der Maria Braun"

Im Landestheater Tübingen läuft seit Februar „Die Ehe der Maria Braun“, eine Inszenierung nach dem Film von Rainer Fassbinder (1978) unter der Regie von  Cristoph Roos. Das fesselnde Stück stellt Liebe, Arbeitswelt und Zweckmäßigkeit sowie die Emanzipation in den Jahren des Wirtschaftswunders dar. Ein sehenswertes Schauspiel das  nur noch bis Ende Juni zu sehen ist.

Worum es geht…

Maria und Hermann Braun heiraten 1943 während des Kriegs. Einen halben Tag und eine Nacht verbringt das Ehepaar zusammen, bevor Hermann wieder an die Front gehen muss. Nach dem Krieg ist Hermann verschwunden. Im festen Glauben daran, dass Herrmann wiederkommt, wartet Maria sehnsüchtig auf seine Rückkehr. Aber eines Tages bringt ein Freund ihr die Nachricht von Herrmanns Tod. Maria fängt an, in einer Bar zu arbeiten und lernt, Güter auf dem Schwarzmarkt zu handeln. In der Bar findet Maria einen neuen Partner, den amerikanischen Soldaten Bill. Als plötzlich der totgeglaubte Hermann im Marias Wohnung auftaucht, erschreckt sie sich und schießt auf den geliebten Amerikaner. Vor Gericht nimmt Hermann die Schuld für die Ermordung auf sich und geht anstelle seiner Frau ins Gefängnis.

Wieder wartet Maria auf ihren Mann. Dabei übernimmt Maria die Funktion des Ehemanns; sie wird arbeiten, Karriere machen und ein Haus bauen. In einer von Männern dominierten Welt gelingt ihr ein schneller Aufstieg, bei dem sie sich als souveräne Herrin ihres Lebens wähnt – nicht wissend, dass sie selbst zum Objekt eines Tauschhandels wird.

Maria Braun (Lisan Lantin) und ihre Freundin Betti (Mattea Cavic). Mit einem Schild sucht Maria auf ihre verlorene Ehmann. FOTO: Tobias Metz/LTT.

Wo liegt die Wahrheit…

In einer der ersten Szenen in der Bar redet Maria mit ihrer Freundin und sagt, dass Liebe Wahrheit sei. Ihre Freundin meint dagegen:

„Liebe ist nicht Wahrheit, sondern ein Gefühl. Wahrheit ist, wenn man Hunger im Bauch hat.“

Dieser Dialog beschreibt das, was das Stück repräsentiert. In einer Gesellschaft, die sich schnell verändert, verändern sich auch die zwischenmenschlichen Beziehungen und ihre Bedeutung. Individueller Wohlstand ist Wahrheit. Gefühle erkälten sich. Und das Leben während des Wirtschaftswunders erscheint den Menschen als Prozess der Vereinsamung.

Eine instrumentalisierte Frau

Im Verlauf der Inszenierung hat der Zuschauer die graduelle Verwandlung von einer naiven und träumerischen jungen Frau in eine erfolgreiche Geschäftsperson vor sich. Lisan Lantin spielt eine maschinenhaft-kalte, zynische und zweckmäßige Maria, die so geschickt, wie sie Gegenstände oder Kleider tauscht, auch in unterschiedliche Rollen schlüpfen kann. Schon am Anfang der Inszenierung weiß sie, dass ihr verlorener Traum nicht mehr zu retten ist und versucht, Arbeitswelt und Emotionen zu trennen. Aber die Kontrolle darüber hat sie verloren. Hauptsächlich gilt: vernünftig bleiben und nach vorne gehen.

Maria trifft ihren zukünftigen Vorgesetzten und Geliebten Karl Oswald (Rolf Kindermann) im Zug. FOTO: Tobias Metz/LTT.

Nachkriegszeit und Unabhängigkeit

Ein anderes Thema des Stücks ist die Eingliederung der Frauen in das öffentliche Leben. Durch die Abwesenheit der Männer fangen sie an, Berufe auszuüben und sich in der Gesellschaft zu etablieren. Die echte Emanzipation scheint noch entfernt zu sein, da viele der Frauen ihre Stelle aufgeben mussten, sobald der Ehmann wieder arbeiten konnte, wodurch die Frauen teilweise wieder aus der Öffentlichkeit verdrängt wurden.

Sinnbildliches Szenario

Die Bühne selbst war ein Spektakel. Auf einer Leinwand läuft  ein Brautpaar den Mittelgang der Tübinger Stiftskirche entlang, tauscht Küsse und Zärtlichkeiten aus. Dann plötzlich brechen die Bilder auf der Leinwand flimmernd ab, wir hören Fliegerlärm, Trümmer liegen auf die Bühne. Mit diesen Trümmern wird die ganze Zeit gespielt. Um das Chaos herum bauen, räumen und stapeln die Protagonisten auf der Drehbühne gut choreografiert und mit flottem Tempo schöne Szenen. Die Geschichte wird knapp erzählt, die Szenen sind kurz und dynamisch. Am Ende des Schauspiels verwandeln sich die Trümmer in Hochhäusern. Deutschland entwickelt sich von einer Trümmerlandschaft zu einer modernen Metropole.

Nicht verpassen!

Das LTT Schauspiel „Die Ehe der Maria Braun“ ist eine interessante und aufregende Vorstellung, die sowohl zum Lachen als auch zum Reflektieren anregt. Um Marias Welt von Trümmern und zerbrochenen Gefühlen zu entdecken, gibt es noch zwei Termine: Freitag 07.06.2019 und Samstag 15.06.2019.

Fotos: LTT Pressefotos.
 

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