500 Jahre nach Leonardo Da Vincis Tod beschäftigt sich die italienische Philosophin Dr. Claudia Luchetti nicht nur mit seiner Kunst, sondern auch mit seinem akademischen Vermächtnis: unzählige Notizbücher, Skizzen und lose Blätter, welche ein Potpourri an Disziplinen der Kunst und Wissenschaft abdecken. Ihren Vortrag im Rahmen der Ausstellung Ex machina reflektiert Kupferblau in einem Erlebnisbericht.
Donnerstagabend – ich stapfe den steilen Weg auf das Schloss Hohentübingen die Pflasterstraße hinauf. Auf der linken Seite die Lichter des Tübinger Stadtpanoramas, vor mir lediglich ein dunkler Weg, der vermeintlich ins Nichts führt. Hinter den alten Schlossmauern findet im Rahmen der Ausstellung ‚Ex machina‘ ein Vortrag statt, der den wohl bekanntesten Künstler der Renaissance, Leonardo da Vinci, in einem anderen Licht betrachtet.
Ich versuche an dieser Stelle, Licht ins Dunkle zu bringen und Anekdoten aus dem Vortrag („Keine Wirklung in der Natur ist ohne Vernunftgrad. Leonardo da Vinci als Philosoph und die Metaphysik der Antike“) wiederzugeben – aber da ich ein Student der Medienwissenschaft und somit fachfremd bin, gebe ich kein Gewähr, sondern nur mein Bestes. Ich fokussiere mich auf die Aspekte, die ich als Nicht-Philosoph interessant und wissenswert finde.
Das Vermächtnis zählt – doch die Hälfte fehlt
Leonardo ist für seine einzigartigen Notizen bekannt – darunter Schriften aus den Bereichen Kunst, Malerei, Biologie, Mathematik und Philosophie. Somit kann er durchaus als Universalgelehrter bezeichnet werden. Doch keine Rose ohne Dornen – Claudia Luchetti erzählt, dass ungefähr die Hälfte von Leonardos Notizen die Jahrhunderte nicht überdauert haben und verloren gegangen sind – und das, obwohl der Künstler und Wissenschaftler immer mindestens ein Notizbuch bei sich hatte. Eins davon war der Codex Atlanticus (s.u.), der seinen Namen den enormen Maßen von 64,5 X 43,5 Zentimetern verdankte. Er enthält auf mehr als tausend Seiten Sammlungen von Notizen und Skizzen Leonardos. Neben den umfangreichen Notizbüchern hinterließ da Vinci neuesten Überlieferungen nach über 6000 einzelne Skriptseiten, von denen nur noch ungefähr 3000 erhalten sind. Was sie alle gemeinsam haben ist ihr ungewöhnliches Erscheinungsbild: Leonardo verfasste all seine Notizen in Spiegelschrift. Das liegt zum einen daran, dass er Linkshänder war und dadurch von rechts nach links schreiben konnte, ohne mit seiner Hand die Tinte zu verwischen. Zum anderen tat er dies, um seine Schriften vor neugierigen Blicken zu schützen, da Spiegelschrift schwieriger zu entziffern war.
Viele Wege führen zur Erkenntnis
Claudia Luchetti geht ebenfalls auf den Umstand ein, dass für Leonardo Kunst und Wissenschaft keine strikt getrennten Bereiche sind: Vielmehr sind sie verschiedene Kanäle, die das Gleiche versuchen: neue Erkenntnisse zu gewinnen. Dadurch bricht Leonardo mit dem Gegenüberstellung von Abstraktem und Konkretem – denn diese Bereiche ergänzen sich gegenseitig, so Luchetti. Das zeigt sich auch in Leonardos Selbstverständnis: er bezeichnete sich zu Lebzeiten als Malerphilosoph, wodurch er wissenschaftliche und künstlerische Bereiche seiner Arbeit miteinander verknüpfte.
Viele Infos für das Fachpublikum
Nach dem Vortrag, der inclusive kurzer Fragerunde eine gute Stunde dauerte, fragte ich mich, wie es mir gefallen hat. Um ehrlich zu sein kann ich das nicht klar beantworten, da ich mir als Nicht-Philosoph kein fundiertes Urteil über den Vortrag zutraute. Das lag auch daran, dass sich die Veranstaltung ausschließlich an ein Fachpublikum richtete. Doch trotz der Tatsache, dass ich manche Aspekte nicht vollkommen verstanden habe und der Vortrag nur mäßig besucht war, habe ich etwas dazugelernt und das Schloss etwas schlauer verlassen, als ich es betreten habe. Mit diesem Text möchte ich euch dazu ermutigen, genau wie ich auch mal einen Vortrag anzuhören, über dessen Thema ihr kaum Bescheid wisst. Auch wenn man nicht alles versteht – man kann immer noch etwas dazulernen…
Die Ausstellung „EX MACHINA“ können Interessierte noch diese Woche, bis zum 1. Dezember, im Schloss Hohentübingen ansehen.
Fotos: Nicolas Oehler