Angezeigt: 11 - 20 von 35 ERGEBNISSEN

Tübingens SPEICHER: Mehr als nur "unverpackt"

Langersehnt, nachhaltig und jetzt endlich da: Der „SPEICHER Umgedacht“ am Nonnenhaus hat am Freitag seine Pforten geöffnet. Hinter dem Laden steckt aber ein Gedanke, der größer ist, als die Bezeichnung „unverpackt“.

Hell ist es in den frisch eröffneten Räumen des Speichers, der erst wenige Stunden geöffnet hat. Der Geruch von frischen Lebensmitteln und Holz liegt in der Luft. „Ich stehe heute zum ersten Mal hinter einer Kasse“, gibt Caner Ortanca zu. Er und seine Frau Andrea haben den Laden gemeinsam erdacht und eröffnet.

Bereits lange vor der Eröffnung hatte die Nachricht, dass Tübingen nun ebenfalls einen „Unverpacktladen“ bekommen sollte, hohe Wellen geschlagen. Vor allem unter den Studierenden ist die Begeisterung groß, wie sich auch im Laden selbst zeigt. Viele der anwesenden Kunden gehören zu den jüngeren Semestern und sehen sich interessiert um. Dass er und seine Frau mit dem Konzept den Tübinger Nerv getroffen haben, ist Caner Ortanca bewusst. Aber es steckt mehr dahinter, wie er erklärt. Neben dem eigentlichen Laden ist ein Bistro zum SPEICHER hinzugestoßen. Vielmehr sei es ein ganzheitlicher Ansatz. Deshalb finden die Kunden nun auch Pflegeprodukte und wiederverwendbare Behälter im Angebot.

Der Nachhaltigkeits-Gedanke wird im SPEICHER groß geschrieben – auch beim Verkauf von Getreideprodukten.

„Das Thema ist Reduktion“, erklärt der Schwabe. „Wir wollen hier versuchen, in dem Bereich des Bistros einen ‚Thinktank‘ zu etablieren. Da sollen die Leute zusammenkommen, die sich dafür interessieren und sich fragen: ‚Was kann ich selbst machen, damit ich nicht immer alles kaufen muss?‘ Je mehr wir kaufen, desto mehr Ressourcen werden benötigt. Wir versuchen hier einen Hybrid zu betreiben, zwischen alter betriebswirtschaftlicher Welt und neuer Welt.“

Dabei geht es ihm besonders um die ganzheitliche Nachhaltigkeit. „Man kann nicht unendlich wachsen. Die Konsequenz daraus ist Reduktion“ erklärt er. In einer Zeit, in der alle den Neokapitalismus und Neoliberalismus verfolgten, wollten sie für etwas Anderes stehen. „Da wollen wir ein Zeichen dagegensetzen.“

Sie hätten einen Laden, aber wollten damit gleichzeitig dazu anregen, nicht so viel zu kaufen. „Hier geht es um Postwachstumsökonomie“, fasst er den Grundgedanken abschließend zusammen.

Plastiktüten sind im SPEICHER „out“: Abgefüllt werden die Produkte z.B. in Gläsern.

Dass dieses Konzept Risiken birgt, dessen ist sich der frühere Unternehmensberater bewusst. Mit Risiken kennt er sich aber aus, denn deren Abschätzung war früher sein Job. Auch deshalb ist er zuversichtlich, dass der Laden mit dem einzigartigen Charakter auf Dauer überleben kann. Er wolle Menschen zusammenbringen, sagt er. Deshalb hat Ortanca bereits Netzwerke in der Region geknüpft. So besteht nun auch zwischen der JVA Rottenburg und einer solidarischen Landwirtschaftsgemeinschaft eine Verbindung. Mit Hilfe der Bruderhausdiakonie entstand am Ende so ein Produkt, dass die Kunden jetzt neben frischen Linsen und Haferflocken ebenfalls finden: lokale, eingekochte Tomaten.

Aber auch technisch ist der Speicher durchdacht: Mithilfe der Kasse wird ermittelt, welche Produkte besonders oder weniger gefragt sind. So soll unnötiger Abfall und Lebensmittelverschwendung vermieden werden.

Die Tübinger danken es ihm mit großem Interesse: Auf der Straße wird auf den Neuling am Nonnenhaus gezeigt. Die Menschengruppe dreht um und geht in den SPEICHER. Das Konzept des einzigartigen Ladens ist dabei nicht nur umgedacht, sondern vor allem konsequent zu Ende gedacht: Den nachhaltigen Kaffee genießt man standesgemäß aus Tassen, die selbst aus recyceltem Kaffeesatz bestehen.

Der SPEICHER will nicht nur ein Laden, sondern auch ein Thinktank sein – deswegen wird zum gemütlichen Beisammensitzen auch Kaffee angeboten!

Der Speicher öffnet Montag bis Samstag ab 9:30 Uhr. Von Montag bis Freitag schließt er um 19:00 Uhr, am Samstag etwas früher, nämlich bereits um 14:00 Uhr. Wer mehr von dem ganzheitlichen Konzept des SPEICHERs erfahren will, besucht dafür am besten die Webseite des Ladens. Dort werden die lokalen Netzwerke und das Konzept noch genauer erläutert.

speicher-tuebingen.de

Fotos: Marko Knab

Der Mann für Mittendrin

Der freie Journalist Sandro Mattioli ist ein Kind der Tübinger Rhetorik. Er hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Machenschaften des organisierten Verbrechens durch seine publizistische Arbeit aufzudecken. Bei Querfeldein sprach er über Probleme und Hoffnungen seiner Tätigkeit. (mehr …)