Bei der gestrigen Podiumsdiskussion „Das Russlandbild in den deutschen Medien“ in der Alten Aula entwickelte sich wenig überraschend eine hitzige Debatte rund um den Kreml und Präsident Putin.
Anlässlich des Vierteljahrhunderts zwischen der selbsternannten „Liebesgeschichte“ der Städte Tübingen und Petrosawodsk organisierte die Stadt, vertreten durch die Leiterin des Fachbereiches Kunst und Kultur, Daniela Rathe, in Kooperation mit dem Instituts für Osteuropäische Geschichte und Landeskunde die hochkarätig besetzte Diskussionsrunde zum „Russlandbild in den deutschen Medien“. Unter der Leitung des Institutsdirektors, Prof. Dr. Klaus Gestwa, diskutierten und teilten ihre Erfahrungen Ina Ruck, die ehemalige Leiterin des ARD-Studios in Moskau, Dr. Gerd Koenen, freischaffender Historiker und Autor, Dr. Manfred Sapper, Politikwissenschaftler und Chefredakteur der Zeitschrift „Osteuropa“, und Johannes Voswinkel, langjähriger Russlandkorrespondent der Wochenzeitung „Die Zeit“.
Volkssport Medienschelte
Das Eröffnungsstatement übernahm dabei der Gesprächsleiter selbst und erläuterte seine eigene Sicht zur Relevanz der allgemeinen Medienkritik und der weitreichenden Problematik, mit denen sich die moderne Berichterstattung auseinandersetzen muss. Vom neuen „Volkssport Medienschelte“ bis hin zum „Interpretationskrieg“ politischer Lager war dabei die Rede, zudem gewährte er einen Einblick in seine Sorgen in Hinblick auf seine Arbeit als Direktor des Osteuropäischen Instituts und dessen Möglichkeiten in zukünftigen Kooperationen mit russischen Kollegen. Auch aktuelle Beispiele, die schließlich sogar zu Morddrohungen gegen Korrespondenten führten, blieben dabei nicht unerwähnt.
Von Drohungen konnte auch Ina Ruck viel berichten, leider aus erster Hand gegen ihre Person und Arbeit bei der ARD. Besonders ihre Berichte aus der Ukraine oder bei den Olympischen Spielen in Sotschi sind Anlass vieler Kritik und Drohungen. In einem vielsagenden Satz gestand sie daher, dass sie trotz aller Verbundenheit mit Russland und ihrer Arbeit dort erstmals „leichten Herzens“ zurück nach Deutschland kam.
Eine ähnliche Erfahrung hatte Johannes Voswinkel bereits vor drei Jahren machen müssen, als aufgrund von Einsparungen die Korrespondenten-Stelle der „Zeit“ in Moskau gestrichen wurde. Seine Ausführungen zur Medienkritik und deren Richtigkeit gefielen dabei durch ihre Differenziertheit und erhielten breite Zustimmung im zahlreichen Publikum.
Auf sogar ganze fünfundzwanzig Jahre Verbundenheit mit Russland kann Dr. Gerd Koenen zurückschauen, als er 1989 im Rahmen einer Dokumentation über historische Aufarbeitung in der Sowjetunion für den Deutschlandfunk nach Moskau reiste. Seine Einschätzung, dass sich die Welt in einer „neuen Art des Kalten Kriegs“ befindet, stieß auf vorsichtige Zustimmung im überfüllten Saal der Alten Aula, aber auch besonders bei Dr. Manfred Sapper.
Schrecken und Faszination
Als Chefredakteur der Zeitschrift „Osteuropa“ sieht Sapper in Hinblick auf die mediale Berichterstattung, dass die Medienkrise besonders eine Zeitungskrise und nicht zuletzt auf die wirtschaftliche Lage zurückzuführen sei. Als bestes Beispiel nannte er dabei seinen Sitznachbarn Voswinkel. Außerdem erkennt er eine Aufteilung in „Schrecken und Faszination“ in Bezug auf die russische Wahrnehmung in Deutschland. Das Schrecken in Form des politischen Russlands wird allgemein nur allzu gern von der Faszination des Landes getrennt, aber auch vermischt, so Sapper weiter.
Putin ist Russland, Russland ist Putin!
Als schließlich die eigentliche Diskussion beendet war und Gesprächsleiter Gestwa die allgemeine Fragerunde eröffnete, vermischten sich nicht mehr nur einzelne Begriffe, auch die ganze Thematik des „Russlandbilds in den deutschen Medien“ geriet immer mehr ins Abseits. So blieb zwar die Veranstaltung bis zur letzten Minute informativ und interessant, jedoch eher auf die Person Putin gerichtet und weniger auf Russland oder gar die Medien und deren Problematik. Als schließlich nach weiteren 45 Minuten lebhafter Debatte mit gelegentlichen Zwischenrufen die Veranstaltung beendet war, gingen die zahlreichen Zuschauer zwar mehrheitlich zufrieden nach Hause, doch blieben letztlich auch einige Fragen unbeantwortet. So blieb symbolisch als Fazit auch die letzte Wortmeldung im Raum stehen, die sich mit dem Zitat „Putin ist Russland, Russland ist Putin“ befasste. Doch anders als in Russland, wo selbiger diese Worte mit der stalinistischen Höflichkeit zurückwies, erhitzt das in Deutschland weiterhin die Gemüter.