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The talented Three

Bereits um 20 Uhr waren im Café Haag nur noch Stehplätze zu finden. Dies mag auch am allgemeinen Sitzplatzmangel gelegen haben, doch vor allem am Auftritt der Stuttgarter Band Hawelka. Mit Peter Nowak als Sänger und Gitarrist, Jan Georg Plavec am Synthesizer und Christian Seyffert am Schlagzeug, traten sie am Donnerstag zum sechsten Mal in Tübingen auf. Im Gepäck eine Mischung aus Blues, Pop und Psychedelic.

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Erst Schlürfen, dann Lachen

Japanische Nudelsuppe und Theatersport: Mit dieser ungewöhnlichen Kombination lockt die Impro-Truppe des Harlekin Theaters derzeit Interessierte zu ebenso ungewöhnlichen Zeiten ins Café Haag. Wer mittags um 12 oder 13 Uhr Zeit hat, kann sich noch bis zum 11. Dezember, immer dienstags bis freitags, dem doppelten Vergnügen von Kultur und Kulinarik hingeben.

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Die Einmaligkeit des Moments

Jeden dritten Mittwoch des Monats ist es soweit: Im Café Haag kommen die Theaterschauspieler von „Improfusion“ und ihr Publikum zusammen, um gemeinsam für zwei Stunden Welten voller Aberwitz zu kreieren. Ohne Skript, ohne Souffleur, ohne doppelten Boden – alles entsteht spontan auf der Bühne.

Der kleine Raum im Café Haag ist bereits seit fast einer Stunde bis zum Bersten mit Menschen gefüllt; hauptsächlich Studierende, aber auch ältere Leute sind gekommen. Die Stimmung ist heiter und gesellig, fast könnte man den Eindruck gewinnen, es handle sich um einen ganz gewöhnlichen Abend. Wären da nicht die paar Stuhlreihen, die vor der schlicht mit drei schwarzen Wandschirmen präparierten und von Kronleuchtern schwach ausgeleuchteten Bühne aufgestellt wurden. Rechts stehen Sofas – links ein Keyboard. Inklusive des Pianisten, der lange Zeit das einzige Indiz ist, dass die Schauspieler den Abend nicht vergessen haben.

Das Intro ist das einzig einstudierte des Abends

Als der Rest der Truppe schließlich die Bühne betritt – fünf Personen in Schwarz und einer in Weste mit Fliege – ändert das kaum etwas an der lockeren Atmosphäre. Die Musik dudelt weiter vor sich hin. „Die Bauchstimme funktioniert schon mal“, witzelt der mit der Fliege, als endlich jemand die Musik ausgemacht hat. Es ist Tobias Jungwirth, den manche vielleicht vom Rohbautheater Kollektiv kennen. Er übernimmt die Moderation. Es folgt ein gesungenes Intro, das wohl das einzig Einstudierte am Abend ist. Danach bleibt ein grober Plan von Spielen und Geschichten, angekündigt durch den Moderator – das einzig strukturierende Element. Solch ein Spiel ist beispielsweise die klassische Theatersport Disziplin „Armrede“, bei denen ein Schauspieler eine Geschichte zu einem vom Publikum vorgeschlagenen Gegenstand erzählt (in diesem Fall ein Krauthobel), während eine andere Schauspielerin hinter ihm steht und an seiner statt gestikuliert. Das Publikum liebt diesen Sketch, bei dem der Erzählende immer wieder verdutzt auf „seine“ Hände schaut, welche mal das Rund eines formschönen Kohls beschreiben – dann wieder mahnend den Zeigefinger erheben: „Sie wissen wie ärgerlich es ist unterwegs zu sein und die Brote nicht mit frischem Kraut belegen zu können!“ Gerade das Stocken – und Wiederfinden – der Simultanität sorgt bisweilen für besondere Erheiterung bei den Zuschauern.

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Liebesgesülze wie im Radio

Besonders beliebt ist auch „Trizophrenie“: Eine Frau trifft sich mit einem in drei Persönlichkeiten gespaltenen Mann (gespielt von drei wechselnden Schauspielern) auf dem Friedhof für ein erstes Date. Den größten Applaus erntet aber Pianist Tobias Litterst, der das Publikum mit seiner spontan intonierten Liebesballade „wie kann ich ohne dich“ von den Sitzen reißt, sofern man sich vorher einen Platz ergattert hatte. Mit quäkender Stimme, kitschigem Klaviergeklimper und herrlich schmalzigem Text fühlt man sich sofort an etliche Radiohits erinnert, irgendwo zwischen neuer deutscher Welle und Daniel Powter. Der sehbehinderte Litterst untermalt die verschiedenen Sketche, Geschichten und Gesangseinlagen des Abends gekonnt mit dem Keyboard. Besonders beeindruckend: Beim Spiel „Stimmungsquadrat“, wo die Schauspieler je nach Standpunkt auf der Bühne verschiedene Gefühlslagen vertreten, erkennt er sofort die zugehörige Stimmung und liefert die passende Musik. Allgemein gelingt das „Stimmungsquadrat“ besonders gut. In der Geschichte um neue Pfleger in einem Altenheim harmonieren die Schauspieler, sprühen vor Ideen und repräsentieren sehr treffend die unterschiedlichen Gefühle.

Die Nähe macht den Charme aus

Es zünden jedoch nicht alle Gags, manche Sketche geraten platt und etwas unkoordiniert. „Es sind bis zu vier verschiedene Perspektiven die zu einer Geschichte verbunden werden müssen“, beschreibt Tobias Jungwirth die Schwierigkeit. Die Schauspieler sind auf ständige Neuanpassung untereinander angewiesen, damit ein gemeinsamer Plot entstehen kann. Diese Gratwanderung bringt der Intro-Song mit den in einer Zeile geäußerten Optionen „Würde verlieren oder Euer Herz berühren“ auf den Punkt. Vorführungen dieser Art sind auch ein Wagnis, jeden Moment kann man scheitern. Dafür aber auch jeden Moment aufs neue die Herzen erobern. Es geschieht glücklicherweise nur die zweite Option. Die gelöste Stimmung im Saal rührt nicht zuletzt daher, dass der Zuschauer im Gegensatz zum herkömmlichen Theater nicht Betrachter eines zusammengehörigen, einstudierten Gesamtkunstwerks ist, sondern sich der Spontanität bewusst ist. So verzeiht man auch den ein oder anderen Patzer oder Flachwitz, feiert die unerwarteten, gelungenen Pointen dann aber umso mehr. „Improtheater ist ein bisschen näher, das macht aber auch den Charme aus“, fasst Schauspielerin Laura Hermenau zusammen.

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„Heute war ein guter Tag“

Die Theatergruppe Improfusion setzt sich aus zwei separaten Gruppen zusammen: „Kommando Feenstaub“ und dem „Scheiterhaufen“, sodass sich die Kombo aus insgesamt ca. 18 aktiven Schauspielern speist. Seit nunmehr drei Jahren tritt Improfusion im Café Haag auf. „Dadurch kriegt man Bühnenerfahrung“, sagt Laura Hermenau. Routine sei wichtig, „aber man weiß doch nie was kommt“. Ob die Gratwanderung geglückt sei? „Heute war ein guter Tag“, ist sie überzeugt. Insgesamt bot der Abend so viele schöne, witzige, kuriose Momente (wie die Vampire die gerne Risiko spielen), dass man sich fast wünscht die Geschichten würden festgehalten. Bei genauerer Überlegung erkennt man aber, dass ihre Schönheit, ihr Witz und ihre Kuriosität gerade in der Einmaligkeit des Moments bestehen.

Fotos: Marco Schneider

Das Warten auf Tarantino

Gute Laune trotz (oder gerade wegen?) melancholischer Texte: Wenn die Stuttgarter Band „Hawelka“ auf die Bühne kommt, ist alles etwas anders. Angeblich sogar zu anders, um Auftritte auf Festivals zu bekommen. Das Café Haag war hingegen aus vielerlei Hinsicht die passende Location für ihren Auftritt am letzten Donnerstag.
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Der einsame Wolf

„Melancholy is nothing negative, it is a positive feeling. It has nothing to do with depressions, it’s a feeling for longing.“ – Ville Valo
Der Tübinger Singer/Songwriter ExBird, lässt sich in dieser Melancholie fallen und kreiert mit ihr ein außergewöhnliches musikalisches Kunstwerk – mit Ecken, scharfen Kanten und viel Mut zur Ehrlichkeit, vor allem zu sich selbst. 

Musikalische Selbstreflexion mit ExBird

ExBird ist ein ernster Typ. ExBird ist ein melancholischer Typ. ExBird ist jemand, der einem bei der ersten Begegnung verschlossen und oft grimmig gegenübertritt. Das ändert sich mit der Zeit, wenn man den Studenten mit der dunklen Strandmatte und dem Dreitagebart besser kennen lernt. So verhält es sich auch mit seiner Musik. Es wäre unmöglich, ein Porträt über diesen Musiker zu schreiben, ohne dabei dem Menschen nicht eine ebenso große Aufmerksamkeit zu widmen.

Der Musiker ExBird

ExBird gibt es seit gut eineinhalb Jahren. Bevor er Singer-Songwriter wurde, spielte der Mann, der am liebsten Jeans und einfarbige Shirts trägt, bereits in diversen Bands. Diese reichen von Pop-Rock, bis hin zu einer komplexeren Combo, aus dem progressiveren Metalgenre. Nun hat er sich den sanfteren Klängen verschrieben und knüpft mit seiner Musik an Bands wie Bon Iver, Eels und City and Colour an. Er selbst beschreibt seine Nische als „der Versuch sehr reduzierte Musik zu gestalten, um damit wiederum möglichst viel wiederzugeben, als Wandel von schönem Melodischen, das durch Melancholie zersetzt wird hin zu einem oft bitteren Nachgeschmack, der zur Selbstreflexion anregt.“

ExBird live

ExBird spielt seit Ende 2013 Shows. Trotz der eher minimalistischen und „nicht-tanzbaren“ Musik kamen immer zahlreichere Angebote von lokalen Clubs und Bars. Seinen ersten Auftritt hatte er am 30.10.13 als Support von Susie Asado (Ukulele-Pop aus Berlin) im Cafe Haag, wo er in diesem Jahr noch weitere Male auf der Bühne stand.

Auch ich habe den Mann, der das Publikum beim Spielen nicht eines Blickes würdigt, erstmals bei dieser Feuertaufe gesehen. In den Monaten darauf trat er in weiteren Locations, wie dem schwarzen Schaf, oder dem hippen Café Galao in Stuttgart auf. Spannend für ihn war anfangs besonders die Ungewissheit darüber, ob seine Musik live überhaupt ankommt. „Wenn Leute zu einem Metalkonzert gehen, wissen Sie, was auf sie zukommt, sie kommen wegen der Musik und einer bestimmten Band. Im Fall von ExBird gehen die Leute was trinken, wollen sich einen schönen Abend machen und sehen mich dann mehr oder weniger zufällig auf der Bühne stehen. Das ist eine völlig neue Erfahrung gewesen.“

„Einsamer Wolf“

ExBird ist live unberechenbar. Seine Auftritte sind geprägt von emotionaler Affektivität, die dem Zuhörer eine äußerst abwechslungsreiche Erfahrung bescheren. Während den ersten Shows stellenweise noch brachial auf seine Gitarre eindreschend, schreiend vor unverfälschter Emotion, scheint ExBird nun an einem Punkt der zunehmenden Selbstkontrolle angekommen zu sein.
Hier spiegelt sich seine Einzigartigkeit wieder. Was ExBird zu einem Erlebnis macht, ist neben der rauen Stimme und der „Einsamer-Wolf“-Erscheinung, der Mensch hinter dem Musiker, der sich seinem Publikum emotional nackt präsentiert.

„Es ist mir wichtig, mich live in der Musik fallen lassen zu können und das authentisch rüberzubringen. Ich hoffe, dass die Leute diese Ehrlichkeit sehen.“

Der Mensch ExBird

Es gibt keinen doppelten Boden bei ExBird, es gibt keine Erzählungen von Saufeskapaden oder dem Flachlegen von Frauen. Es gibt auch keine lupenreinen Love-Songs, die von einer unsterblichen Liebe handeln, die auf ewig hält. Das alles ist ExBird nicht. ExBird ist hauptsächlich Selbstreflexion der unbequemen Art.
ExBird spricht Dinge an, die unangenehm sind. Dinge, mit denen wir uns eigentlich nicht auseinandersetzen wollen – und schon gar nicht, wenn wir abends in eine Bar gehen. Die Angst vor dem allein sein, zu scheitern; warum Menschen sich auseinanderleben und Beziehungen zerbrechen. Seine Musik ist Verarbeitung, Verarbeitung der ehrlichsten und zugleich hässlichsten Sorte. ExBird macht Musik für sich selbst. Um klarzukommen und abzuschließen. Wenn man so will, das einzige Klischee, das er bedient. Wir lauschen ihm und werden uns selbst in seiner düsteren Welt wiederfinden, ob wir es wollen oder nicht.
Dabei ist seine Musik auf instrumentaler Ebene gar nicht so traurig. Eingängig, hell, manchmal perkussiv. Instrumental knüpft ExBird mit seinem Gitarrenspiel durchaus an bewährte Klangbilder an, wie man sie aus dem Singer/Songwriter-Genre kennt.

ExBird selbst geht im Gespräch eher locker mit der Thematik seiner Musik um. „Die Melancholie trägt die Musik zwar, aber andererseits müssen wir ja nicht alle gleich zu heulen anfangen.“ Diese sehr selbstironische und bodenständige Art schafft auch Live eine zunehmend aufgeschlossenere Stimmung. Der Mann kann lustig sein, wenn er es denn will.

ExBirds Entwicklung

Die Entwicklung der Musik von ExBird ist zugleich die Entwicklung eines Menschen, der sich immer wieder mit sich selbst auseinandersetzen will. Umgetrieben von den Ereignissen in seinem Leben und dabei vor allem von den Downs. Die Grenzen zwischen Leben und Musik, zwischen Mensch und Künstler lassen sich hier nicht mehr trennen.
Und so verändert sich auch ExBirds Musik. Immer mehr weg von Hörgewohnheiten und bekannten Schemata zeigt er andererseits auch immer mehr Mut zur Offenheit, zur Zugänglichkeit. Dennoch werden Freunde der massenkompatiblen Musik hier stellenweise anecken. Man muss sich auf Musik einlassen können und sollte keine Abneigung gegen die Auseinandersetzung mit den schmerzhaften Seiten des Lebens haben, wenn man ExBirds Musik entdecken will. So hat man live vor allem die Chance auf ein zutiefst ehrliches musikalisches Erlebnis, dessen Wirkung über den eigentlichen Auftritt weit hinausgeht, sofern man dies zulassen will.

ExBird zum Hören: https://soundcloud.com/exbird
ExBird zum Sehen: https://www.facebook.com/exbirdmusic